Nicht nur Russland – auch Ägypten hat seine Oligarchen: Es sind Stahlfabrikanten, Autoimporteure, Telefonnetzbetreiber und Tourismusunternehmer. Bis vor wenigen Tagen scharten sie sich um Gamal Mubarak, den zweiten Sohn des gestürzten Präsidenten. Er hatte geholfen, ihre wirtschaftlichen Imperien aufzubauen, und er galt lange Zeit als möglicher Nachfolger seines Vaters. 

Jetzt wird ihm vorgeworfen, mitschuldig am Sturz der Familie zu sein. "Du und deine Freunde, ihr habt das Land zerstört, und mein Vater zahlt jetzt den Preis dafür", habe ihn sein älterer Bruder Alaa Gamal kurz vor Hosni Mubaraks Rücktritt angeschrieen, berichtete die kuwaitische Zeitung al-Qabas . Sogar handgreiflich sei Alaa geworden. Wenige Stunden nach dem Streit musste die Familie den Präsidentenpalast in Kairo per Hubschrauber verlassen.

Mehr als 40 Milliarden Dollar soll der Mubarak-Clan während der langen Regierungszeit seines Oberhaupts angehäuft haben. Zum Besitz der Familie gehören Immobilien in London, New York und Los Angeles. Vorerst aber haben die Mubaraks nichts mehr davon: An diesem Montag ordnete der ägyptische Generalstaatsanwalt an, das Vermögen von Hosni, seiner Frau Suzanne und den beiden Söhnen einzufrieren.

Gamal stand lange im Zentrum der wirtschaftlichen und politischen Macht Ägyptens. Der Ökonom arbeitet in den 90er Jahren als Investmentbanker bei der Bank of America in London und stieg danach zu einer maßgeblichen Figur der ägyptischen Regierungspartei NDP auf. Es war die Zeit wirtschaftspolitischer Reformen: Im Jahr 2004 begann die Regierung unter Ministerpräsident Ahmed Nazif, die Wirtschaft zu liberalisieren und zu privatisieren.

Gamal nahm großen Einfluss, gestützt von jungen Unternehmern wie dem Stahlfabrikanten Ahmed Ezz. Bald waren die großen Unternehmerfamilien in den zentralen Gremien der NDP vertreten. Sie saßen im Parlament, hatten als Minister der Regierung hohe Ämter inne und zogen ihre Fäden in den Verbänden. "Die Wirtschaftselite wurde nach und nach reicher und reicher", sagt Stephan Roll, der bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin den Wandel in Ägypten erforscht. "Aber der soziale Ausgleich wurde vernachlässigt."

Roll und Thomas Demmelhuber, Politikwissenschaftler der Uni Erlangen-Nürnberg, haben die engen Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik in Ägypten untersucht. Nazifs Wirtschaftsreformen verschafften den Unternehmern Zugang zu den engsten Zirkeln der politischen Macht. "Die neuen Oligarchen, 15 bis 20 Unternehmerfamilien, traten in Konkurrenz zu den alten Eliten, die dem Militär nahestehen ", sagt Demmelhuber. Mit dem Sturz Mubaraks ist der Konflikt zwischen beiden Gruppen offen aufgebrochen."

Am engsten arbeitete Gamal Mubarak mit Ahmed Ezz zusammen. Ezz kontrollierte über seinen Konzern Ezz Industries drei Viertel der Stahlproduktion Ägyptens, gehörte dem Generalsekretariat der NDP an und stand dem Haushaltsausschuss des Parlaments vor. Aber auch die Familie Sawiris spielte eine große Rolle. Sie besitzen ein Bauunternehmen und Orascom , das wichtigste Mobilfunkunternehmen Ägyptens. Ihr Sohn Naguib gilt als reichster Mann Ägyptens. Oder Ahmed Maghrabi: Er gründete mit ausländischen Partnern das Tourismusunternehmen Accor Egypt und war Tourismusminister. Später wechselte er ins Amt des Ministers für Wohnungsbau. Seine Familie ist mit der Mansour-Familie, die einen großen Handelskonzern besitzt, verwandt. Deren ältester Sohn Mohamed Mansour war Transportminister.