„Aphrodite“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K Änderungen von 37.49.19.58 (Diskussion) auf die letzte Version von 1234qwer1234qwer4 zurückgesetzt
Markierung: Zurücksetzung
Weblinks: +Mythoskop
 
(38 dazwischenliegende Versionen von 28 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 2: Zeile 2:
[[Datei:Front views of the Venus de Milo.jpg|mini|Die [[Venus von Milo|Aphrodite von Melos]], um 120 v. Chr. (heute im [[Louvre]], Paris)]]
[[Datei:Front views of the Venus de Milo.jpg|mini|Die [[Venus von Milo|Aphrodite von Melos]], um 120 v. Chr. (heute im [[Louvre]], Paris)]]


'''Aphrodite''' ({{grcS|Ἀφροδίτη}}; klassische Aussprache: {{IPA|/apʰrodíːtɛː/}}; [[Koine]]: {{IPA|/aɸroðíti/}}; modern-philologische Aussprache: {{IPA|/afrodíːtɛː/}}) ist gemäß der [[Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]] die Göttin der [[Liebe]], der [[Schönheit]] und der sinnlichen [[Begierde]] und eine der kanonischen zwölf [[Olympische Götter|olympischen Gottheiten]]. Sie wurde insbesondere als Schutzherrin der [[Sexualität]] und [[Fortpflanzung]] verehrt, die sowohl den Fortbestand der Natur als auch die Kontinuität der menschlichen Gemeinschaften gewährleistete.<ref name="DNP">Vinciane Pirenne-Delforge: Artikel ''Aphrodite''. In: ''Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike'', hrsg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 1. Metzler, Stuttgart und Weimar 1996, Sp. 838–844.</ref> Ihr Pendant in der römischen Mythologie ist [[Venus (Mythologie)|Venus]].
'''Aphrodite''' ({{grcS|Ἀφροδίτη|Aphrodítē}}; klassische Aussprache: {{IPA|/apʰrodíːtɛː/}}; [[Koine]]: {{IPA|/aɸroðíti/}}; modern-philologische Aussprache: {{IPA|/afrodíːtɛː/}}) ist gemäß der [[Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]] die Göttin der [[Liebe]], der [[Schönheit]] und der sinnlichen [[Begierde]] und eine der kanonischen zwölf [[Olympische Götter|olympischen Gottheiten]]. Sie wurde insbesondere als Schutzherrin der [[Sexualität]] und [[Fortpflanzung]] verehrt, die sowohl den Fortbestand der Natur als auch die Kontinuität der menschlichen Gemeinschaften gewährleistete.<ref name="DNP">Vinciane Pirenne-Delforge: Artikel ''Aphrodite''. In: ''Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike.'' Hrsg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 1, Metzler, Stuttgart und Weimar 1996, Sp. 838–844.</ref> Ihr Pendant in der römischen Mythologie ist [[Venus (Mythologie)|Venus]].


== Etymologie ==
== Etymologie ==
Die Etymologie des Namens der Göttin wird ebenso wie die Herkunft ihres Kults bis heute kontrovers diskutiert. Seit der Antike wurde der erste Wortteil mit [[Griechische Sprache|griechisch]] ''aphrós'' ({{lang|grc|ὁ ἀφρός}} „Schaum (des Meeres)“) zusammengebracht und durch das Attribut ''aphrogenḗs, aphrogéneia'' (ἀφρογενής, ἀφρογένεια „die Schaumgeborene“) kommentiert,<ref>[[Hesiod]], ''[[Theogonie]]'' 196.</ref> wobei allerdings die Etymologie des zweiten Wortteils weitgehend dunkel blieb. Seit dem späten 19.&nbsp;Jahrhundert haben daher [[Indogermanist]]en<ref>[[Hjalmar Frisk]]: ''Griechisches etymologisches Wörterbuch.'' Band 1. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1960, S. 196 f. ([http://ieed.ullet.net/friskL.html Digitalisat]), hielt die Herkunft von semitisch Aštoret (eine Form, die West ganz verwerfen wird) oder [[Astarte]] durch „volksetymologische Angleichung“ für „möglich“, ohne aber eine genaue Herleitung zu geben; Robert S. P. Beekes: ''Etymological Dictionary of Greek.'' Band 1. Brill, Leiden und Boston 2010, S. 179.</ref> und [[Gräzist]]en<ref name="Burkert">[[Walter Burkert]]: ''Greek Religion''. Übersetzung von John Raffan. Harvard University Press, Cambridge (Mass) 1985, S. 152 ff. (deutsch: ''Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche'', Stuttgart 1977); ders.: ''Die Griechen und der Orient. Von Homer bis zu den Magiern.'' C. H. Beck, München 2003, S. 38, 47 ff.</ref><ref>[[Martin Litchfield West]]: ''The Name of Aphrodite.'' In: ''Glotta. Zeitschrift für griechische und lateinische Sprache.'' Band 76, Heft 1–2, 2000, S. 134–138.</ref> eine griechische Herleitungsmöglichkeit für den Götternamen bezweifelt und stattdessen eine [[Alter Orient|orientalische]] Herkunft vermutet. Allerdings lehnte [[Martin Litchfield West]] die von [[Fritz Hommel]] vorgeschlagene direkte Ableitung aus dem semitischen [[Göttername|Theonym]] [[Astarte|ʿAštart]]<ref>Fritz Hommel: ''Aphrodite–Astarte''. In: ''Neue Jahrbücher für Philologie und Paedagogik.'' Band 125, 1882, S. 176.</ref> (von dem griechisch {{lang|grc|Ἀστάρτα, Ἀστάρτη}} herrühren) ab und setzte an deren Stelle eine&nbsp;– nach eigenem Bekenntnis rein spekulative&nbsp;– Ableitung von einem unbelegten ʿAštart-Epitheton ''*prāzît'' „die von den Dörfern“, das in [[Arkadisch-kyprisches Griechisch|zyprisch]]-[[Kanaanäische Sprachen|kanaanitischem]] Dialekt ''*[ʿaproðiːt]'' ausgesprochen worden wäre.
Die Etymologie des Namens der Göttin wird ebenso wie die Herkunft ihres Kults bis heute kontrovers diskutiert. Seit der Antike wurde der erste Wortteil mit [[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] ''aphrós'' ({{lang|grc|ὁ ἀφρός}} „Schaum (des Meeres)“) zusammengebracht und durch das Attribut ''aphrogenḗs, aphrogéneia'' ({{lang|grc|ἀφρογενής, ἀφρογένεια}} „die Schaumgeborene“) kommentiert,<ref>[[Hesiod]], ''[[Theogonie]]'' 196</ref> wobei allerdings die Etymologie des zweiten Wortteils weitgehend dunkel blieb. Seit dem späten 19.&nbsp;Jahrhundert haben daher [[Indogermanistik|Indogermanisten]]<ref>[[Hjalmar Frisk]]: ''Griechisches etymologisches Wörterbuch.'' Band 1, Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1960, S. 196 f. ([http://ieed.ullet.net/friskL.html Digitalisat]), hielt die Herkunft von semitisch Aštoret (eine Form, die West ganz verwerfen wird) oder [[Astarte]] durch „volksetymologische Angleichung“ für „möglich“, ohne aber eine genaue Herleitung zu geben; Robert S. P. Beekes: ''Etymological Dictionary of Greek.'' Band 1, Brill, Leiden und Boston 2010, S. 179.</ref> und [[Gräzistik|Gräzisten]]<ref name="Burkert">[[Walter Burkert]]: ''Greek Religion.'' Übersetzung von John Raffan. Harvard University Press, Cambridge (Mass.) 1985, S. 152 ff. (deutsch: ''Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche.'' Stuttgart 1977); ders.: ''Die Griechen und der Orient. Von Homer bis zu den Magiern.'' C. H. Beck, München 2003, S. 38, 47 ff.</ref><ref>[[Martin Litchfield West]]: ''The Name of Aphrodite.'' In: ''Glotta. Zeitschrift für griechische und lateinische Sprache.'' Band 76, Heft 1–2, 2000, S. 134–138.</ref> eine griechische Herleitungsmöglichkeit für den Götternamen bezweifelt und stattdessen eine [[Alter Orient|orientalische]] Herkunft vermutet. Allerdings lehnte [[Martin Litchfield West]] die von [[Fritz Hommel]] vorgeschlagene direkte Ableitung aus dem semitischen [[Göttername|Theonym]] [[Astarte|ʿAštart]]<ref>Fritz Hommel: ''Aphrodite–Astarte.'' In: ''Neue Jahrbücher für Philologie und Paedagogik.'' Band 125, 1882, S. 176.</ref> (von dem griechisch {{lang|grc|Ἀστάρτα, Ἀστάρτη}} herrühren) ab und setzte an deren Stelle eine&nbsp;– nach eigenem Bekenntnis rein spekulative&nbsp;– Ableitung von einem unbelegten ʿAštart-Epitheton ''*prāzît'' „die von den Dörfern“, das in [[Arkadisch-kyprisches Griechisch|zyprisch]]-[[Kanaanäische Sprachen|kanaanitischem]] Dialekt ''*[ʿaproðiːt]'' ausgesprochen worden wäre.


[[Datei:Aphrodite Anadyomene from Pompeii cropped.jpg|mini|hochkant=1.3|Fresko der Aphrodite als [[Anadyomene]], vielleicht nach einem Bildnis des [[Apelles]], [[Pompeji]]]]
[[Datei:Aphrodite Anadyomene from Pompeii cropped.jpg|mini|hochkant=1.3|Fresko der Aphrodite als [[Anadyomene]], vielleicht nach einem Bildnis des [[Apelles]], [[Pompeji]]]]


Im Jahr 1911 hat [[Ernst Maass (Philologe)|Ernst Maaß]] eine [[Etymologie]] vorgelegt, die den Namen neben ''aphrós'' auf eine [[Derivation (Linguistik)|Ableitung]] des Verbs ''déatο'' ({{lang|grc|δέατο}} „schien, hatte den Anschein“, rekonstruierter Infinitiv {{lang|grc|*δέασθαι}}; vgl. {{lang|grc|δῆλος}} „offenbar, deutlich“) zurückführt.<ref>Ernst Maaß: ''Aphrodite und die heilige Pelagia.'' In: ''Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur.'' Band 27, 1911, S. 457–468; Vittore Pisani: ''Akmon e Dieus.'' In: ''Archivio glottologico italiano.'' Band 24, 1930, S. 65–73.</ref> Der Name der Göttin würde demnach „die im Schaum (des Meeres) Aufstrahlende“ bedeuten. Dieser Deutung hat sich auch [[Michael Janda]] angeschlossen.<ref name="Janda">[[Michael Janda]]: ''Eleusis. Das indogermanische Erbe der Mysterien.'' Institut für Sprachwissenschaft der Universität Innsbruck, Innsbruck 2000, S. 154 ff.; ders.: ''Elysion. Entstehung und Entwicklung der griechischen Religion.'' Institut für Sprachen und Literaturen der Universität Innsbruck, Innsbruck 2005, S. 349–360.</ref> Darüber hinaus sieht Janda, der daneben eine sekundäre Beeinflussung der mythologischen Vorstellungen um die griechische Aphrodite durch die phönizische ʿAštart für möglich hält, Aphrodite in Übereinstimmung mit Deborah Boedeker<ref>Deborah Boedeker: ''Aphrodite’s Entry into Greek Epic.'' Leiden und Ann Arbor (UMI) 1974, S. 15 f.</ref> und George E. Dunkel<ref name="Dunkel">George E. Dunkel: ''Vater Himmels Gattin.'' In: ''Die Sprache. Zeitschrift für Sprachwissenschaft.'' Band 34, 1, 1988–90, S. 1–26.</ref> als griechische Entsprechung der indischen Göttin der Morgenröte [[Ushas|Uṣas]], mit der sie neben mehreren [[Epitheton|Epitheta]]&nbsp;– darunter das einer „Tochter des Himmels“ ([[Indogermanische Ursprache|indogermanisch]] ''*diṷós dhugh<sub>2</sub>tēr[r]'' > griechisch {{lang|grc|Διός θυγάτηρ|Diós thygátēr}} „Zeustochter“)<ref name="Dios thygater">[[Homer]], ''[[Ilias]]'' 3, 374; 5, 131.</ref> und das der „gern (oder hold) lächelnden“ (griechisch {{lang|grc|φιλομμειδής|philommeidḗs}})<ref name="philommeides">Homer, ''Ilias'' 14, 211.</ref>&nbsp;– auch das verführerische Auftreten teile.
Im Jahr 1911 hat [[Ernst Maass (Philologe)|Ernst Maaß]] eine [[Etymologie]] vorgelegt, die den Namen neben ''aphrós'' auf eine [[Derivation (Linguistik)|Ableitung]] des Verbs ''déatο'' ({{lang|grc|δέατο}} „schien, hatte den Anschein“, rekonstruierter Infinitiv {{lang|grc|*δέασθαι}}; vgl. {{lang|grc|δῆλος}} „offenbar, deutlich“) zurückführt.<ref>Ernst Maaß: ''Aphrodite und die heilige Pelagia.'' In: ''Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur.'' Band 27, 1911, S. 457–468; Vittore Pisani: ''Akmon e Dieus.'' In: ''Archivio glottologico italiano.'' Band 24, 1930, S. 65–73.</ref> Der Name der Göttin würde demnach „die im Schaum (des Meeres) Aufstrahlende“ bedeuten. Dieser Deutung hat sich auch [[Michael Janda]] angeschlossen.<ref name="Janda">[[Michael Janda]]: ''Eleusis. Das indogermanische Erbe der Mysterien.'' Institut für Sprachwissenschaft der Universität Innsbruck, Innsbruck 2000, S. 154 ff.; ders.: ''Elysion. Entstehung und Entwicklung der griechischen Religion.'' Institut für Sprachen und Literaturen der Universität Innsbruck, Innsbruck 2005, S. 349–360.</ref> Darüber hinaus sieht Janda, der daneben eine sekundäre Beeinflussung der mythologischen Vorstellungen um die griechische Aphrodite durch die phönizische ʿAštart für möglich hält, Aphrodite in Übereinstimmung mit Deborah Boedeker<ref>Deborah Boedeker: ''Aphrodite’s Entry into Greek Epic.'' Leiden und Ann Arbor (UMI) 1974, S. 15 f.</ref> und George E. Dunkel<ref name="Dunkel">George E. Dunkel: ''Vater Himmels Gattin.'' In: ''Die Sprache. Zeitschrift für Sprachwissenschaft.'' Band 34, 1, 1988–1990, S. 1–26.</ref> als griechische Entsprechung der indischen Göttin der Morgenröte [[Ushas|Uṣas]], mit der sie neben mehreren [[Epitheton|Epitheta]]&nbsp;– darunter das einer „Tochter des Himmels“ ([[Indogermanische Ursprache|indogermanisch]] ''*diṷós dhugh<sub>2</sub>tēr[r]'' > griechisch {{lang|grc|Διός θυγάτηρ|Diós thygátēr}} „Zeustochter“)<ref name="Dios thygater">[[Homer]], ''[[Ilias]]'' 3,374; 5,131</ref> und das der „gern (oder hold) lächelnden“ (griechisch {{lang|grc|φιλομμειδής|philommeidḗs}})<ref name="philommeides">Homer, ''Ilias'' 14,211</ref>&nbsp;– auch das verführerische Auftreten teile.


Daneben lässt sich der Mythos der dem Meeresschaum entsteigenden Aphrodite, der sich mit weiteren Epitheta der Göttin wie ''Euploía'' ({{lang|grc|Εὐπλοία}} „die gute Seefahrt verleiht“) und ''Pontía'' ({{lang|grc|Ποντία}} „die vom Meer“) verbindet, an das Bild der allmorgendlich aus dem [[Okeanos]] aufsteigenden [[Eos (Mythologie)|Eos]]<ref>Vgl. Homer, ''Odyssee'' 12, 1–4.</ref> (der auch phonetischen Entsprechung der [[vedisch]]en Uṣas) anschließen. Dunkel hat daran erinnert, dass neue Götter häufig durch die Verselbständigung älterer Epitheta hervorgegangen sind.<ref name="Dunkel" /> Demnach wären die griechischen Göttinnen Eos und Aphrodite aus der Aufspaltung einer ursprünglichen [[Indogermanische Religion|indogermanischen Göttin]] der Morgenröte (''*H<sub>2</sub>ausōs'') hervorgegangen, von der auch die vedische Uṣas abstammt.<ref name="Müller">Friedrich Max Müller: ''Lectures on the Science of Language, delivered at the Royal Institution of Great Britain in February, March, April & May, 1863. Second series.'' Longman, Green, Longman, Roberts & Green, London 1864, S. 373.</ref><ref name="Kölligan">Daniel Kölligan: ''Aphrodite of the dawn: Indo-European heritage in Greek divine epithets and theonyms''. In: ''Letras clássicas'', Nr. 11, 2007, S. 105–134 ([http://docplayer.gr/33618711-Aphrodite-of-the-dawn-indo-european-heritage-in-greek-divine-epithets-and-theonyms-1.html Digitalisat]).</ref> Auch die Verknüpfung Aphrodites mit der im Osten der griechischen Welt gelegenen Insel [[Zypern]] ließe sich durch diese auf die Göttin der Morgenröte verweisende Genealogie erklären.<ref>Vgl. die Überlegungen zu Aphrodite als „zugleich […] Griechin und Fremde“ bei Vinciane Pirenne-Delforge: Artikel ''Aphrodite''. In: ''Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike'', hrsg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 1. Metzler, Stuttgart und Weimar 1996, Sp. 838–844.</ref>
Daneben lässt sich der Mythos der dem Meeresschaum entsteigenden Aphrodite, der sich mit weiteren Epitheta der Göttin wie ''Euploía'' ({{lang|grc|Εὐπλοία}} „die gute Seefahrt verleiht“) und ''Pontía'' ({{lang|grc|Ποντία}} „die vom Meer“) verbindet, an das Bild der allmorgendlich aus dem [[Okeanos]] aufsteigenden [[Eos (Mythologie)|Eos]]<ref>Vgl. Homer, ''Odyssee'' 12,1–4</ref> (der auch phonetischen Entsprechung der [[Veda|vedischen]] Uṣas) anschließen. Dunkel hat daran erinnert, dass neue Götter häufig durch die Verselbständigung älterer Epitheta hervorgegangen sind.<ref name="Dunkel" /> Demnach wären die griechischen Göttinnen Eos und Aphrodite aus der Aufspaltung einer ursprünglichen [[Indogermanische Religion|indogermanischen Göttin]] der Morgenröte (''*H<sub>2</sub>ausōs'') hervorgegangen, von der auch die vedische Uṣas abstammt.<ref name="Müller">Friedrich Max Müller: ''Lectures on the Science of Language, delivered at the Royal Institution of Great Britain in February, March, April & May, 1863. Second series.'' Longman, Green, Longman, Roberts & Green, London 1864, S. 373.</ref><ref name="Kölligan">Daniel Kölligan: ''Aphrodite of the dawn: Indo-European heritage in Greek divine epithets and theonyms.'' In: ''Letras clássicas.'' Nr. 11, 2007, S. 105–134 ([http://docplayer.gr/33618711-Aphrodite-of-the-dawn-indo-european-heritage-in-greek-divine-epithets-and-theonyms-1.html Digitalisat]).</ref> Auch die Verknüpfung Aphrodites mit der im Osten der griechischen Welt gelegenen Insel [[Zypern]] ließe sich durch diese auf die Göttin der Morgenröte verweisende Genealogie erklären.<ref>Vgl. die Überlegungen zu Aphrodite als „zugleich […] Griechin und Fremde“ bei Vinciane Pirenne-Delforge: Artikel ''Aphrodite''. In: ''Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike.'' Hrsg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 1, Metzler, Stuttgart und Weimar 1996, Sp. 838–844.</ref>


== Mythos ==
== Mythos ==
=== Geburt ===
=== Geburt ===
[[Datei:Ludovisi throne Altemps Inv8570.jpg|mini|Darstellung der Aphrodite [[Anadyomene]] auf dem [[Ludovisischer Thron|Ludovisischen Thron]], vermutlich um 460 v. Chr. ([[Museo Nazionale Romano]])]]
[[Datei:Ludovisi throne Altemps Inv8570.jpg|mini|Darstellung der Aphrodite [[Anadyomene]] auf dem [[Ludovisischer Thron|Ludovisischen Thron]], vermutlich um 460 v.&nbsp;Chr. ([[Museo Nazionale Romano]])]]


Nach [[Hesiod]] ist sie die Tochter des [[Uranos]]. Dessen Sohn [[Kronos]] schnitt ihm, auf Rat seiner Mutter [[Gaia (Mythologie)|Gaia]], die [[Geschlechtsteil]]e mit einem [[Sichel (Werkzeug)|Sichelhieb]] ab und „warf diese hinter sich“ ins [[Meer]]. Das Blut und der Samen vermischten sich mit dem Meer, welches ringsum aufschäumte und daraus Aphrodite gebar, die nach Hesiod zunächst auf [[Kythera]], dann an der Küste von Zypern an Land ging.<ref name="Hesiod">Hesiod, ''Theogonie'' 176–200.</ref> Dort schmückten laut den ''[[Homerische Hymnen|Homerischen Hymnen]]'' die [[Horen (Mythologie)|Horen]] sie, bevor sie den Unsterblichen vorgestellt wurde.<ref>''Homerische Hymnen'' 6, 5–13.</ref> Nach [[Pausanias]]<ref>Pausanias 2, 1, 7–8.</ref> und [[Nonnos von Panopolis]] war es die Göttin [[Thalassa (Mythologie)|Thalassa]] (Θάλασσα „die See“), welche den Samen empfing. Nachdem sie im Olymp aufgenommen war, wurde sie Adoptivtochter des Zeus.
Nach [[Hesiod]] ist sie die Tochter des [[Uranos]]. Dessen Sohn [[Kronos]] schnitt ihm, auf Rat seiner Mutter [[Gaia (Mythologie)|Gaia]], die [[Geschlechtsorgan]]e mit einem [[Sichel (Werkzeug)|Sichelhieb]] ab und „warf diese hinter sich“ ins [[Meer]]. Das Blut und der Samen vermischten sich mit dem Meer, welches ringsum aufschäumte und daraus Aphrodite gebar, die nach Hesiod zunächst auf [[Kythira|Kythera]], dann an der Küste von Zypern an Land ging.<ref name="Hesiod">Hesiod, ''Theogonie'' 176–200</ref> Dort schmückten laut den ''[[Homerische Hymnen|Homerischen Hymnen]]'' die [[Horen (Mythologie)|Horen]] sie, bevor sie den Unsterblichen vorgestellt wurde.<ref>''Homerische Hymnen'' 6,5–13</ref> Nach [[Pausanias]]<ref>Pausanias 2,1,7–8</ref> und [[Nonnos von Panopolis]] war es die Göttin [[Thalassa (Mythologie)|Thalassa]] ({{lang|grc|Θάλασσα}} „die See“), welche den Samen empfing. Nachdem sie im Olymp aufgenommen war, wurde sie Adoptivtochter des Zeus.


Daneben bestehen noch weitere Mythen über die Abstammung der Göttin, so ist sie bei [[Homer]] die Tochter des Zeus<ref>Homer: ''Ilias'' 5, 312.</ref> und der [[Dione (Mutter der Aphrodite)|Dione]],<ref>Homer: ''Ilias'' 5, 370.</ref> Tochter des Zeus auch in den ''Homerischen Hymnen''.<ref>''Homerische Hymnen'' 5, 81.</ref> Eine weitere, freilich späte Quelle nennt sie gemeinsam mit den [[Erinyen]] und den [[Moiren]] als Tochter des Kronos.<ref>[[Johannes Tzetzes]], ''ad Lycophronem'' 406.</ref> [[Hyginus Mythographus]] [[Adaption (Literatur)|adaptiert]] den Geburtsmythos der syrischen [[Semiramis]] und schreibt, sie sei aus einem Ei geschlüpft, welches von Fischen an Land gerollt und von Tauben ausgebrütet worden war.<ref>[[Hyginus Mythographus]], ''[[Genealogiae|Fabulae]]'' 197.</ref>
Daneben bestehen noch weitere Mythen über die Abstammung der Göttin, so ist sie bei [[Homer]] die Tochter des Zeus<ref>Homer, ''Ilias'' 5,312</ref> und der [[Dione (Mutter der Aphrodite)|Dione]],<ref>Homer, ''Ilias'' 5,370</ref> Tochter des Zeus auch in den ''Homerischen Hymnen''.<ref>''Homerische Hymnen'' 5,81</ref> Eine weitere, freilich späte Quelle nennt sie gemeinsam mit den [[Erinnyen]] und den [[Moiren]] als Tochter des Kronos.<ref>[[Johannes Tzetzes]], ''ad Lycophronem'' 406</ref> [[Hyginus Mythographus]] [[Adaption (Literatur)|adaptiert]] den Geburtsmythos der syrischen [[Semiramis]] und schreibt, sie sei aus einem Ei geschlüpft, welches von Fischen an Land gerollt und von Tauben ausgebrütet worden war.<ref>[[Hyginus Mythographus]], ''[[Genealogiae|Fabulae]]'' 197</ref>


[[Datei:Sandro Botticelli - La nascita di Venere - Google Art Project - edited.jpg|mini|[[Sandro Botticelli]]: ''Die Geburt der Venus'', 1485 ([[Uffizien]], Florenz)]]
[[Datei:Sandro Botticelli - La nascita di Venere - Google Art Project - edited.jpg|mini|[[Sandro Botticelli]]: ''Die Geburt der Venus'', 1485 ([[Uffizien]], Florenz)]]


<gallery class="center" mode="nolines" widths="190" heights="145">
<gallery class="center" mode="nolines" widths="190" heights="145">
Pelike Birth of Aphrodite AM Rhodes 12454.jpg|Die Geburt der Aphrodite auf einer [[attisch]]-[[Rotfigurige Vasenmalerei|rotfigurigen]] [[Pelike]],<br />um 450 v. Chr. (Archäologisches Museum, [[Rhodos (Stadt)|Rhodos]])
Pelike Birth of Aphrodite AM Rhodes 12454.jpg|Die Geburt der Aphrodite auf einer [[Attische Vasenmalerei|attisch]]-[[Rotfigurige Vasenmalerei|rotfigurigen]] [[Pelike]],<br />um 450 v.&nbsp;Chr. (Archäologisches Museum, [[Rhodos (Stadt)|Rhodos]])
Atuell en forma d'Afrodita en una petxina, Àtica, necròpolis de Fanagoria, pinínsula de Taman. Primer quart del segle IV aC, ceràmica.JPG|Attischer Krug in Gestalt der einer Muschel entsteigenden Aphrodite, gefunden in [[Phanagoria]], [[Taman (Halbinsel)|Taman]], viertes Jahrhundert v. Chr. ([[Eremitage (Sankt Petersburg)|Eremitage]], Sankt Petersburg)
Atuell en forma d'Afrodita en una petxina, Àtica, necròpolis de Fanagoria, pinínsula de Taman. Primer quart del segle IV aC, ceràmica.JPG|Attischer Krug in Gestalt der einer Muschel entsteigenden Aphrodite, gefunden in [[Phanagoria]], [[Taman (Halbinsel)|Taman]], viertes Jahrhundert v.&nbsp;Chr. ([[Eremitage (Sankt Petersburg)|Eremitage]], Sankt Petersburg)
Terracotta statuette of Aphrodite in a shell, 3rd century BC Staatliche Antikensammlungen, Munich (8958060758).jpg|[[Terrakotta]]-Statuette der Aphrodite in einer Muschel,<br />drittes Jahrhundert v. Chr.<br />([[Staatliche Antikensammlungen]], München)
Terracotta statuette of Aphrodite in a shell, 3rd century BC Staatliche Antikensammlungen, Munich (8958060758).jpg|[[Terrakotta]]-Statuette der Aphrodite in einer Muschel,<br />drittes Jahrhundert v.&nbsp;Chr.<br />([[Staatliche Antikensammlungen]], München)
Greek Marble Statue of Aphrodite Anadyomene (Hair-Binding).jpg|Statue der schaumgeborenen Aphrodite aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr.<br />([[Metropolitan Museum of Art]], New York City)
Greek Marble Statue of Aphrodite Anadyomene (Hair-Binding).jpg|Statue der schaumgeborenen Aphrodite aus dem zweiten Jahrhundert v.&nbsp;Chr.<br />([[Metropolitan Museum of Art]], New York City)
</gallery>
</gallery>


Zeile 33: Zeile 33:
[[Datei:Venus Genitrix N367.jpg|mini|hochkant=0.9|Die sogenannte ''Aphrodite von Fréjus'', römische Kopie nach einem Original aus dem späten fünften Jahrhundert v.&nbsp;Chr., vielleicht von [[Kallimachos (Bildhauer)|Kallimachos]] ([[Louvre]])]]
[[Datei:Venus Genitrix N367.jpg|mini|hochkant=0.9|Die sogenannte ''Aphrodite von Fréjus'', römische Kopie nach einem Original aus dem späten fünften Jahrhundert v.&nbsp;Chr., vielleicht von [[Kallimachos (Bildhauer)|Kallimachos]] ([[Louvre]])]]


Bei Homer erscheint sie als Beschützerin der geschlechtlichen Liebe (so namentlich bei der Verführung der [[Helena (Mythologie)|Helena]] durch Paris), daneben als Verkörperung der Schönheit<ref>Homer, ''Ilias'' 3, 396 f.; 9, 389.</ref> und folglich Siegerin im Schönheitswettstreit mit [[Hera]] und [[Athene|Athena]] vor Paris, daneben aber auch als Advokatin der Ehe.<ref>Homer, ''Odyssee'' 20, 73 f.</ref> Zum Zorn gereizt, kann sie ihre Gaben allerdings auch ebenso schnell wieder entziehen.<ref> Homer: ''Ilias'' 3, 413–415.</ref> Ihre bevorzugten Attribute bei Homer sind „die Goldene“ ({{lang|grc|χρυσείη}})<ref>Homer: ''Ilias'' 3, 64; 9, 389.</ref> sowie die schon genannten ''Diós thygátēr'' ({{lang|grc|Διός θυγάτηρ}} „Zeustochter“)<ref name="Dios thygater" /> und das allein ihr vorbehaltene<ref name="Janda" /> ''philommeidḗs'' ({{lang|grc|φιλομμειδής}} „hold Lächelnde“).<ref name="philommeides" />
Bei Homer erscheint sie als Beschützerin der geschlechtlichen Liebe (so namentlich bei der Verführung der [[Helena (Mythologie)|Helena]] durch Paris), daneben als Verkörperung der Schönheit<ref>Homer, ''Ilias'' 3,396 f.; 9,389</ref> und folglich Siegerin im Schönheitswettstreit mit [[Hera]] und [[Athene|Athena]] vor Paris, daneben aber auch als Advokatin der Ehe.<ref>Homer, ''Odyssee'' 20,73 f.</ref> Zum Zorn gereizt, kann sie ihre Gaben allerdings auch ebenso schnell wieder entziehen.<ref>Homer, ''Ilias'' 3,413–415</ref> Ihre bevorzugten Attribute bei Homer sind „die Goldene“ ({{lang|grc|χρυσείη}})<ref>Homer, ''Ilias'' 3,64; 9,389</ref> sowie die schon genannten ''Diós thygátēr'' ({{lang|grc|Διός θυγάτηρ}} „Zeustochter“)<ref name="Dios thygater" /> und das allein ihr vorbehaltene<ref name="Janda" /> ''philommeidḗs'' ({{lang|grc|φιλομμειδής}} „hold Lächelnde“).<ref name="philommeides" />

Ihren unwiderstehlichen Liebreiz verdankt sie einem zauberkräftigen [[Gürtel]], dem ''kestòs himàs poikílos'' ({{lang|grc|κεστὸς ἱμὰς ποικίλος}} „buntbestickter Gürtel“), den sie auf Bitten gelegentlich ausleiht, so auch an die Göttermutter Hera.<ref>Homer: ''Ilias'' 14, 214–220.</ref> Ihr Mann, der Schmiedegott [[Hephaistos]], hatte ihn ihr aus Gold und Edelsteinen gefertigt. Den Charakter einer allgemeinen [[Fruchtbarkeitsgott|Fruchtbarkeitsgöttin]] beschreibt plastisch der fünfte der ''[[Homerische Hymnen|Homerischen Hymnen]]'' (5, 1–6):
Ihren unwiderstehlichen Liebreiz verdankt sie einem zauberkräftigen [[Gürtel]], dem ''kestòs himàs poikílos'' ({{lang|grc|κεστὸς ἱμὰς ποικίλος}} „buntbestickter Gürtel“), den sie auf Bitten gelegentlich ausleiht, so auch an die Göttermutter Hera.<ref>Homer, ''Ilias'' 14,214–220</ref> Ihr Mann, der Schmiedegott [[Hephaistos]], hatte ihn ihr aus Gold und Edelsteinen gefertigt. Den Charakter einer allgemeinen [[Fruchtbarkeitsgottheit|Fruchtbarkeitsgöttin]] beschreibt plastisch der fünfte der ''[[Homerische Hymnen|Homerischen Hymnen]]'' (5,1–6):
<poem lang="grc" style="margin-left:1em; display:inline-block; vertical-align:top;">
<poem lang="grc" style="margin-left:2em; float:left;">
Μοῦσά μοι ἔννεπε ἔργα πολυχρύσου Ἀφροδίτης,
Μοῦσά μοι ἔννεπε ἔργα πολυχρύσου Ἀφροδίτης,
Κύπριδος, ἥ τε θεοῖσιν ἐπὶ γλυκὺν ἵμερον ὦρσε
Κύπριδος, ἥ τε θεοῖσιν ἐπὶ γλυκὺν ἵμερον ὦρσε
καί τ' ἐδαμάσσατο φῦλα καταθνητῶν ἀνθρώπων
καί τ’ ἐδαμάσσατο φῦλα καταθνητῶν ἀνθρώπων
οἰωνούς τε διιπετέας καὶ θηρία πάντα,
οἰωνούς τε διιπετέας καὶ θηρία πάντα,
ἠμὲν ὅσ' ἤπειρος πολλὰ τρέφει ἠδ' ὅσα πόντος·
ἠμὲν ὅσ’ ἤπειρος πολλὰ τρέφει ἠδ’ ὅσα πόντος·
πᾶσιν δ' ἔργα μέμηλεν ἐυστεφάνου Κυθερείης.
πᾶσιν δ’ ἔργα μέμηλεν ἐυστεφάνου Κυθερείης.
</poem>
</poem>
<poem style="margin-left:1em; display:inline-block; vertical-align:top;">
<poem style="margin-left:2em; float:left; font-style:italic;">
Muse, sage mir die Werke der goldenen Aphrodite,
Muse, sage mir die Werke der goldenen Aphrodite,
Herrin auf Kypros; süßes Verlangen weckt sie den Göttern,
Herrin auf Kypros; süßes Verlangen weckt sie den Göttern,
Zeile 49: Zeile 50:
die Vögel hoch in den Lüften, die Scharen der Tiere, aller zusammen,
die Vögel hoch in den Lüften, die Scharen der Tiere, aller zusammen,
mag sie das Festland, mag sie das Weltmeer zahllos ernähren:
mag sie das Festland, mag sie das Weltmeer zahllos ernähren:
jedes buhlt um die Gnaden der schön bekränzten Kytherea.<ref>Übersetzung: ''Homerische Hymnen.'' Griechisch und deutsch herausgegeben von Anton Weiher (''[[Sammlung Tusculum]]''). Sechste Auflage. Artemis, München und Zürich 1989, S. 93.</ref>
jedes buhlt um die Gnaden der schön bekränzten Kytherea.<ref>Übersetzung: ''Homerische Hymnen.'' Griechisch und deutsch herausgegeben von Anton Weiher (''[[Sammlung Tusculum]]''). Sechste Auflage, Artemis, München und Zürich 1989, S. 93.</ref>
</poem>
</poem>
<div style="clear:left;"></div>


=== Gefolge ===
=== Gefolge ===
Zu ihrem Gefolge gehören [[Eros (Mythologie)|Eros]], [[Himeros]] ({{lang|grc|Ἵμερος}} „Verlangen“)<ref>''Homerische Hymnen'' 5, 73.</ref> und [[Peitho (Mythologie)|Peitho]] ({{lang|grc|Πειθώ}}, die vergöttlichte „Überredungskunst“<ref>Sappho, Fragment 57 a.</ref>), sowie die [[Chariten]] ({{lang|grc|Χάριτες}}). Diese haben der Göttin laut der ''Ilias'' einen (leider kaum schützenden) „ambrosischen [[Peplos]]“ gewebt.<ref>Homer, ''Ilias'' 5, 338.</ref> In der ''Odyssee'' tanzt Aphrodite gar selbst im „sehnsuchtsvollen Tanz der Chariten“ ({{lang|grc|Χαρίτων χορὸν ἱμερόεντα}}) mit.<ref>Homer, ''Odyssee'' 18, 194.</ref> An diese Gemeinschaft erinnert auch der Kult der Aphrodite Akidalia in [[Orchomenos]], wo sie gemäß dem Mythos gemeinsam mit den Chariten in einer Quelle badet.<ref name="Akidalia">Vgl. [[Vergil]], ''[[Aeneis]]'' 1, 720; {{RE|I,1|1167||Akidalia|[[Gustav Hirschfeld]]|RE:Akidalia}}</ref>
Zu ihrem Gefolge gehören [[Eros (Mythologie)|Eros]], [[Himeros]] ({{lang|grc|Ἵμερος}} „Verlangen“)<ref>''Homerische Hymnen'' 5,73</ref> und [[Peitho (Mythologie)|Peitho]] ({{lang|grc|Πειθώ}}, die vergöttlichte „Überredungskunst“<ref>Sappho Fragment 57a</ref>), sowie die [[Chariten]] ({{lang|grc|Χάριτες}}). Diese haben der Göttin laut der ''Ilias'' einen (leider kaum schützenden) „ambrosischen [[Peplos]]“ gewebt.<ref>Homer, ''Ilias'' 5,338</ref> In der ''Odyssee'' tanzt Aphrodite gar selbst im „sehnsuchtsvollen Tanz der Chariten“ ({{lang|grc|Χαρίτων χορὸν ἱμερόεντα}}) mit.<ref>Homer, ''Odyssee'' 18,194</ref> An diese Gemeinschaft erinnert auch der Kult der Aphrodite Akidalia in [[Orchomenos]], wo sie gemäß dem Mythos gemeinsam mit den Chariten in einer Quelle badet.<ref name="Akidalia">Vgl. [[Vergil]], ''[[Aeneis]]'' 1,720; {{RE|I,1|1167||Akidalia|[[Gustav Hirschfeld]]|RE:Akidalia}}</ref>


<gallery class="center" mode="nolines" widths="190" heights="145">
<gallery class="center" mode="nolines" widths="190" heights="145">
Greek Eros vase.png|Eros und Himeros als geflügelte Knaben auf einem [[Attische Vasenmalerei|attisch]]-[[Rotfigurige Vasenmalerei|rotfigurigen]] Gefäß,<br />um 400 v. Chr.
Greek Eros vase.png|Eros und Himeros als geflügelte Knaben auf einem [[Attische Vasenmalerei|attisch]]-[[Rotfigurige Vasenmalerei|rotfigurigen]] Gefäß,<br />um 400 v.&nbsp;Chr.
Afrodite and Cupid, 4th c BC. (3471014459).jpg|Aphrodite und Eros, Idol aus dem vierten Jahrhundert v. Chr., [[Korinthia]]
Afrodite and Cupid, 4th c BC. (3471014459).jpg|Aphrodite und Eros, Idol aus dem vierten Jahrhundert v.&nbsp;Chr., [[Korinthia]]
Capitoline Venus Borghese Louvre Ma335.jpg|Aphroditestatue des kapitolinischen Typs mit Erosfigur, römische Kopie des zweiten Jahrhunderts n. Chr. ([[Louvre]])
Capitoline Venus Borghese Louvre Ma335.jpg|Aphroditestatue des kapitolinischen Typs mit Erosfigur, römische Kopie des zweiten Jahrhunderts n.&nbsp;Chr. ([[Louvre]])
Meister der Aldobrandinischen Hochzeit 001.jpg|Peitho steht der Braut der ''[[Aldobrandinische Hochzeit|Aldobrandinischen Hochzeit]]'' bei, Fresko aus [[Augustus|augusteischer Zeit]] ([[Bibliotheca Apostolica Vaticana]])
Meister der Aldobrandinischen Hochzeit 001.jpg|Peitho steht der Braut der ''[[Aldobrandinische Hochzeit|Aldobrandinischen Hochzeit]]'' bei, Fresko aus [[Augustus|augusteischer Zeit]] ([[Vatikanische Apostolische Bibliothek]])
Muses.jpg|Die drei Chariten,<br /> Fresko aus [[Pompeji]]
Muses.jpg|Die drei Chariten,<br /> Fresko aus [[Pompeji]]
</gallery>
</gallery>


=== Liebschaften ===
=== Liebschaften ===
[[Datei:Aphrodite Adonis Louvre MNB2109.jpg|mini|hochkant=0.9|Aphrodite und [[Adonis]] auf einer [[Attische Vasenmalerei|attisch]]-[[Rotfigurige Vasenmalerei|rotfigurigen]] [[Lekythos]], spätes fünftes Jahrhundert v. Chr. ([[Louvre]])]]
[[Datei:Aphrodite Adonis Louvre MNB2109.jpg|mini|hochkant=0.9|Aphrodite und [[Adonis]] auf einer [[Attische Vasenmalerei|attisch]]-[[Rotfigurige Vasenmalerei|rotfigurigen]] [[Lekythos]], spätes fünftes Jahrhundert v.&nbsp;Chr. ([[Louvre]])]]


Verheiratet ist Aphrodite mit [[Hephaistos]],<ref>Homer, ''Odyssee'' 8, 318.</ref> dem Gott des Feuers und der Schmiedekunst, den sie allerdings mit Sterblichen und Unsterblichen betrügt. Notorisch ist ihre lange Beziehung zum Kriegsgott [[Ares]], aus der [[Eros (Mythologie)|Eros]], [[Harmonia]], [[Phobos (Mythologie)|Phobos]], [[Deimos (Mythologie)|Deimos]] und [[Anteros]] entstanden&nbsp;– wie es auch [[Demodokos (Sänger des Alkinoos)|Demodokos]] bei den [[Phaiaken]] in seinem burlesken Lied besingt.<ref>Homer, ''Odyssee'' 8, 266–366. Auch dies war eventuell eine Ehe, nur nach anderer Überlieferung: vgl. {{RE|I,2|2729|2787|Aphrodite|[[Georg Ferdinand Dümmler]]|RE:Aphrodite}}</ref> Laut Homer wurden die beiden mitten im Akt von Hephaistos ''[[in flagranti]]'' entdeckt und in einem Netz gefangen. Als der Schmiedegott sie so den anderen Göttern präsentierte, erhob sich unter diesen das sprichwörtliche [[Homerisches Gelächter|homerische Gelächter]].
Verheiratet ist Aphrodite mit [[Hephaistos]],<ref>Homer, ''Odyssee'' 8,318</ref> dem Gott des Feuers und der Schmiedekunst, den sie allerdings mit Sterblichen und Unsterblichen betrügt. Notorisch ist ihre lange Beziehung zum Kriegsgott [[Ares]], aus der [[Eros (Mythologie)|Eros]], [[Harmonia]], [[Phobos (Mythologie)|Phobos]], [[Deimos (Mythologie)|Deimos]] und [[Anteros]] entstanden&nbsp;– wie es auch [[Demodokos (Sänger des Alkinoos)|Demodokos]] bei den [[Phaiaken]] in seinem burlesken Lied besingt.<ref>Homer, ''Odyssee'' 8,266–366. Auch dies war eventuell eine Ehe, nur nach anderer Überlieferung: vgl. {{RE|I,2|2729|2787|Aphrodite|[[Georg Ferdinand Dümmler]]|RE:Aphrodite}}</ref> Laut Homer wurden die beiden mitten im Akt von Hephaistos ''[[in flagranti]]'' entdeckt und in einem Netz gefangen. Als der Schmiedegott sie so den anderen Göttern präsentierte, erhob sich unter diesen das sprichwörtliche [[Homerisches Gelächter|homerische Gelächter]].


Aus Aphrodites Liebschaft mit dem [[Troja]]ner [[Anchises]] ging [[Aeneas]] (griech. Aineias) hervor,<ref>''Homerische Hymnen'' 5, 53–291.</ref> Held im [[Trojanischer Krieg|Trojanischen Krieg]], der dann zu den mythischen Stammvätern der [[Rom|Römer]] gehören sollte und aus dessen Sohn angeblich das Geschlecht der Julier, zu dem auch [[Gaius Iulius Caesar]] gehörte, entsprang. Außerdem gebar sie dem [[Dionysos]] den [[Priapos]]<ref>Scholien zu [[Apollonios von Rhodos]], ''Argonautika'' 1, 932 f.</ref> und dem [[Hermes]] den [[Hermaphroditos]].<ref>[[Ovid]], ''[[Metamorphosen (Ovid)|Metamorphosen]]'' 4, 288–388.</ref>
Aus Aphrodites Liebschaft mit dem [[Troja]]ner [[Anchises]] ging [[Aeneas]] (griech. Aineias) hervor,<ref>''Homerische Hymnen'' 5,53–291</ref> Held im [[Trojanischer Krieg|Trojanischen Krieg]], der dann zu den mythischen Stammvätern der [[Rom|Römer]] gehören sollte und aus dessen Sohn angeblich das Geschlecht der Julier, zu dem auch [[Gaius Iulius Caesar]] gehörte, entsprang. Außerdem gebar sie dem [[Dionysos]] den [[Priapos]]<ref>Scholien zu [[Apollonios von Rhodos]], ''Argonautika'' 1,932 f.</ref> und dem [[Hermes]] den [[Hermaphroditos]].<ref>[[Ovid]], ''[[Metamorphosen (Ovid)|Metamorphosen]]'' 4,288–388</ref>


Ferner hat sie den schönen [[Adonis]] zum Geliebten.<ref>Ovid, ''Metamorphosen'' 10, 519–739.</ref> Sie verbirgt ihn (als Samen) in einem Kasten und gibt ihn der in der Unterwelt&nbsp;– dem Schoß der Erde&nbsp;– thronenden [[Persephone]]; diese will ihn für immer behalten. Erst auf den Schiedsspruch des Zeus gibt sie ihn für zwei Drittel des Jahres der Aphrodite zurück. Bei der Jagd wird Adonis vom eifersüchtigen Ares in Gestalt eines [[Wildschwein|Keilers]] getötet.
Ferner hat sie den schönen [[Adonis]] zum Geliebten.<ref>Ovid, ''Metamorphosen'' 10,519–739</ref> Sie verbirgt ihn (als Samen) in einem Kasten und gibt ihn der in der Unterwelt&nbsp;– dem Schoß der Erde&nbsp;– thronenden [[Persephone]]; diese will ihn für immer behalten. Erst auf den Schiedsspruch des Zeus gibt sie ihn für zwei Drittel des Jahres der Aphrodite zurück. Bei der Jagd wird Adonis vom eifersüchtigen Ares in Gestalt eines [[Wildschwein|Keilers]] getötet.


=== Das Urteil des Paris ===
=== Das Urteil des Paris ===
[[Datei:Fresco - Wall Fragment with the Judgment of Paris.jpg|mini|hochkant=0.9|Das Urteil des Paris auf einem Mauerfragment aus [[Pompeji]] ([[Archäologisches Nationalmuseum Neapel]])]]
[[Datei:Fresco - Wall Fragment with the Judgment of Paris.jpg|mini|hochkant=0.9|Das Urteil des Paris auf einem Mauerfragment aus [[Pompeji]] ([[Archäologisches Nationalmuseum Neapel]])]]


Der Sage nach soll Aphrodite den Trojanischen Krieg ausgelöst haben, als sie mit [[Hera]] und [[Athene]] den trojanischen Königssohn [[Paris (Mythologie)|Paris]] um das Urteil ersucht habe, welche von ihnen die Schönste sei. Dabei versuchte jede Göttin, ihn zu bestechen, und der Trojaner entschied sich für Aphrodite, da sie ihm die schönste Frau der Welt versprochen hatte. Dieses Ereignis ist als [[Urteil des Paris]] bekannt und gilt durch den resultierenden Raub der [[Helena (Mythologie)|Helena]] als mythologischer Auslöser des Zuges der Griechen gegen [[Troja]].<ref>Ovid, ''[[Heroides]]'' 16, 53-88; [[Lukian von Samosata|Lukian]], ''Göttergespräche'' 20; Hyginus, ''Fabulae'' 92.</ref> Während der zehnjährigen Belagerung unterstützte sie, gemeinsam mit Ares, Troja nach Kräften, doch standen Hera und Athene auf der Seite der Griechen.
Der Sage nach soll Aphrodite den Trojanischen Krieg ausgelöst haben, als sie mit [[Hera]] und [[Athene]] den trojanischen Königssohn [[Paris (Mythologie)|Paris]] um das Urteil ersucht habe, welche von ihnen die Schönste sei. Dabei versuchte jede Göttin, ihn zu bestechen, und der Trojaner entschied sich für Aphrodite, da sie ihm die schönste Frau der Welt versprochen hatte. Dieses Ereignis ist als [[Urteil des Paris]] bekannt und gilt durch den resultierenden Raub der [[Helena (Mythologie)|Helena]] als mythologischer Auslöser des Zuges der Griechen gegen [[Troja]].<ref>Ovid, ''[[Heroides]]'' 16,53-88; [[Lukian von Samosata|Lukian]], ''Göttergespräche'' 20; Hyginus, ''Fabulae'' 92</ref> Während der zehnjährigen Belagerung unterstützte sie, gemeinsam mit Ares, Troja nach Kräften, doch standen Hera und Athene auf der Seite der Griechen.


<gallery class="center" mode="nolines" widths="190" heights="120">
<gallery class="center" mode="nolines" widths="190" heights="120">
Judgement of Paris Louvre F31.jpg|Das Urteil des Paris auf einer [[attisch]]-[[Schwarzfigurige Vasenmalerei|schwarzfigurigen]] [[Amphore]], um 550 v. Chr. ([[Louvre]])
Judgement of Paris Louvre F31.jpg|Das Urteil des Paris auf einer [[Attische Vasenmalerei|attisch]]-[[Schwarzfigurige Vasenmalerei|schwarzfigurigen]] [[Amphore]], um 550 v.&nbsp;Chr. ([[Louvre]])
Getty Villa - Collection (5305374810).jpg|Attischer Krug mit dem Urteil des Paris, um 360 v. Chr.<br /> ([[Getty Villa]], Los Angeles)
Getty Villa - Collection (5305374810).jpg|Attischer Krug mit dem Urteil des Paris, um 360 v.&nbsp;Chr.<br /> ([[Getty Villa|J. Paul Getty Museum]], Malibu)
Judgement Paris Altemps Inv8563.jpg|Das Urteil des Paris auf einem römischen Sarkophag,<br />um 100 n. Chr. ([[Museo Nazionale Romano]])
Judgement Paris Altemps Inv8563.jpg|Das Urteil des Paris auf einem römischen Sarkophag,<br />um 100 n.&nbsp;Chr. ([[Museo Nazionale Romano]], Rom)
BG Urteil des Paris.jpg|Das Urteil des Paris,<br />Alabaster auf Holzplatte, um 1535 ([[Bode-Museum]], Berlin)
BG Urteil des Paris.jpg|Das Urteil des Paris,<br />Alabaster auf Holzplatte, um 1535 ([[Bode-Museum]], Berlin)
</gallery>
</gallery>
Zeile 86: Zeile 88:
== Kult ==
== Kult ==
=== Herkunft des Kultes ===
=== Herkunft des Kultes ===
[[Datei:Cnidus Aphrodite, Roman copy after 4th century BC Greek original, Palazzo Altemps, Rome (8737574339).jpg|mini|hochkant=0.9|[[Aphrodite von Knidos]], römische Kopie nach einem Original des [[Praxiteles]] aus dem vierten Jahrhundert v. Chr. ([[Museo Nazionale Romano]])]]
[[Datei:Cnidus Aphrodite, Roman copy after 4th century BC Greek original, Palazzo Altemps, Rome (8737574339).jpg|mini|hochkant=0.9|[[Aphrodite von Knidos]], römische Kopie nach einem Original des [[Praxiteles]] aus dem vierten Jahrhundert v.&nbsp;Chr. ([[Museo Nazionale Romano]])]]


Antike Schriftsteller wie [[Herodot]]<ref name="Herodot, 1,105,2f.">Herodot, ''Historien'' [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Hdt.+1.105.3&fromdoc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0126 1, 105, 2 f.]</ref> und [[Pausanias]]<ref>Pausanias [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Paus.+1.14.7&fromdoc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0160 1, 14, 7]: {{lang|grc|πρώτοις δὲ ἀνθρώπων Ἀσσυρίοις κατέστη σέβεσθαι τὴν Οὐρανίαν, μετὰ δὲ Ἀσσυρίους Κυπρίων Παφίοις καὶ Φοινίκων τοῖς Ἀσκάλωνα ἔχουσιν ἐν τῇ Παλαιστίνῃ, παρὰ δὲ Φοινίκων Κυθήριοι μαθόντες σέβουσιν.}}</ref> sahen den Ursprung des Kults der Aphrodite Urania in [[Phönizien]] bzw. dem [[Vorderer Orient|vorderen Orient]]. Als mögliche Ursprungsorte des Kults wurden dabei [[Assyrien]] und das phönizische [[Askalon]], als frühe Manifestationsorte in der griechischen Welt [[Paphos]] auf [[Zypern]] und die [[Ionische Inseln|ionische Insel]] [[Kythera]] hervorgehoben. Dagegen ging [[Georg Ferdinand Dümmler]] in seinem Artikel für ''[[Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft]]'', gestützt auf die Untersuchung der Kultstätten, von einem [[Thessalien|thessalischen]] Ursprung des nach ihm zunächst [[Pelasger|pelasgischen]] Aphrodite-Kults aus.<ref name="RE">{{RE|I,2|2729|2787|Aphrodite|[[Georg Ferdinand Dümmler]]|RE:Aphrodite}}</ref>
Antike Schriftsteller wie [[Herodot]]<ref name="Herodot, 1,105,2f.">Herodot, ''Historien'' [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Hdt.+1.105.3&fromdoc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0126 1,105,2 f.]</ref> und [[Pausanias]]<ref>Pausanias [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Paus.+1.14.7&fromdoc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0160 1,14,7]: {{lang|grc|πρώτοις δὲ ἀνθρώπων Ἀσσυρίοις κατέστη σέβεσθαι τὴν Οὐρανίαν, μετὰ δὲ Ἀσσυρίους Κυπρίων Παφίοις καὶ Φοινίκων τοῖς Ἀσκάλωνα ἔχουσιν ἐν τῇ Παλαιστίνῃ, παρὰ δὲ Φοινίκων Κυθήριοι μαθόντες σέβουσιν.}}</ref> sahen den Ursprung des Kults der Aphrodite Urania in [[Phönizien]] bzw. dem [[Alter Orient|Alten Orient]]. Als mögliche Ursprungsorte des Kults wurden dabei [[Assyrien]] und das phönizische [[Aschkelon|Askalon]], als frühe Manifestationsorte in der griechischen Welt [[Paphos]] auf [[Zypern]] und die [[Ionische Inseln|ionische Insel]] [[Kythira|Kythera]] hervorgehoben. Dagegen ging [[Georg Ferdinand Dümmler]] in seinem Artikel für ''[[Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft]]'', gestützt auf die Untersuchung der Kultstätten, von einem [[Thessalien|thessalischen]] Ursprung des nach ihm zunächst [[Pelasger|pelasgischen]] Aphrodite-Kults aus.<ref name="RE">{{RE|I,2|2729|2787|Aphrodite|[[Georg Ferdinand Dümmler]]|RE:Aphrodite}}</ref>


In neuerer Zeit hat der Gräzist [[Walter Burkert]] auf zahlreiche Parallelen zwischen Aphrodite, der [[Mesopotamien|mesopotamischen]] [[Ištar]] und der syrischen [[Astarte|ʿAštart]] hingewiesen. Die androgynen Züge des Aphrodite-Kults führte er auf männliche oder vermännlichte Varianten ihrer nahöstlichen Entsprechungen zurück (vgl. [[Aphroditos]], [[Hermaphroditos]], [[Athtar]]); so erschien namentlich Ištar als bärtige Kriegsgöttin. Demgegenüber haben Gabriella Pironti und Stephanie L. Budin auf die Seltenheit der Kulte einer bewaffneten Aphrodite sowie auf die Möglichkeit hingewiesen, diese kriegerischen Züge aus dem universalen Charakter der Liebesgöttin oder auch durch Assoziation mit dem Kriegsgott Ares zu erklären.<ref name="Pironti; Budin">Vgl. Gabriella Pironti: ''Entre ciel et guerre. Figures d’Aphrodite en Grèce ancienne'' (=&nbsp;''[[Kernos (Zeitschrift)|Kernos]].'' Supplementband 18). Lüttich 2007; Stephanie L. Budin: „Aphrodite ''enoplion''“. In: Smith und Pickup (Hrsg.): ''Brill's Companion to Aphrodite'', S. 79–112.</ref> Den Beinamen der Urania sah Burkert in dem der „Himmelskönigin“ ʿAštart vorgebildet. Weitere Gemeinsamkeiten der Kulte von Aphrodite und ʿAštart erkannte Burkert in der Opferung von [[Tauben]] und der Darbringung von [[Weihrauch]], in der Verbindung mit der See sowie dem Gartenbau und in der Existenz unbekleideter Kultbilder.<ref name="Burkert" /> Der Annahme eines schlichtweg orientalischen Ursprungs der Göttin stehe allerdings das Alter des monumentalen Aphrodite-Tempels im zyprischen Paphos entgegen, der auf die Anfänge der [[Mykenische Kultur|mykenischen]] Besiedlung im zwölften Jahrhundert v.&nbsp;Chr. zurückgeht. Die phönizische Kolonisierung Zyperns, in deren Zuge auch ein Astarte-Heiligtum in [[Kition (Königreich)|Kition]] entstand, wird dagegen erst ins neunte Jahrhundert datiert.
In neuerer Zeit hat der Gräzist [[Walter Burkert]] auf zahlreiche Parallelen zwischen Aphrodite, der [[Mesopotamien|mesopotamischen]] [[Ištar]] und der syrischen [[Astarte|ʿAštart]] hingewiesen. Die androgynen Züge des Aphrodite-Kults führte er auf männliche oder vermännlichte Varianten ihrer nahöstlichen Entsprechungen zurück (vgl. [[Aphroditos]], [[Hermaphroditos]], [[ʿAthtar]]); so erschien namentlich Ištar als bärtige Kriegsgöttin. Demgegenüber haben Gabriella Pironti und Stephanie L. Budin auf die Seltenheit der Kulte einer bewaffneten Aphrodite sowie auf die Möglichkeit hingewiesen, diese kriegerischen Züge aus dem universalen Charakter der Liebesgöttin oder auch durch Assoziation mit dem Kriegsgott Ares zu erklären.<ref name="Pironti; Budin">Vgl. Gabriella Pironti: ''Entre ciel et guerre. Figures d’Aphrodite en Grèce ancienne'' (=&nbsp;''[[Kernos (Zeitschrift)|Kernos]].'' Supplementband 18). Lüttich 2007; Stephanie L. Budin: ''Aphrodite enoplion.'' In: Smith und Pickup (Hrsg.): ''Brill’s Companion to Aphrodite.'' S. 79–112.</ref> Den Beinamen der Urania sah Burkert in dem der „Himmelskönigin“ ʿAštart vorgebildet. Weitere Gemeinsamkeiten der Kulte von Aphrodite und ʿAštart erkannte Burkert in der Opferung von [[Tauben]] und der Darbringung von [[Weihrauch]], in der Verbindung mit der See sowie dem Gartenbau und in der Existenz unbekleideter Kultbilder.<ref name="Burkert" /> Der Annahme eines schlichtweg orientalischen Ursprungs der Göttin stehe allerdings das Alter des monumentalen Aphrodite-Tempels im zyprischen Paphos entgegen, der auf die Anfänge der [[Mykenische Kultur|mykenischen]] Besiedlung im zwölften Jahrhundert v.&nbsp;Chr. zurückgeht. Die phönizische Kolonisierung Zyperns, in deren Zuge auch ein Astarte-Heiligtum in [[Kition (Königreich)|Kition]] entstand, wird dagegen erst ins neunte Jahrhundert datiert.


[[Datei:15.Dem Bade entstiegene Venus von Medici(1843)auf Säulenkapitell-Mittlerer Lustgarten-Sanssouci Heilfort.JPG|mini|hochkant=0.9|Dem Bade entstiegene Venus des Medici-Typs ([[Sanssouci]], Potsdam)]]
[[Datei:15.Dem Bade entstiegene Venus von Medici(1843)auf Säulenkapitell-Mittlerer Lustgarten-Sanssouci Heilfort.JPG|mini|hochkant=0.9|Dem Bade entstiegene Venus des Medici-Typs ([[Sanssouci]], Potsdam)]]


Als Indiz eines orientalischen Einflusses wurde häufig die [[Tempelprostitution]] angesehen.<ref name="Burkert" /> Herodot berichtet von einem Brauch der [[Babylonier]], den er zwar selbst als deren „hässlichsten“ bezeichnet, der sich so ähnlich aber auch „hier und da“ in Zypern finde: Jede Frau müsse sich einmal im Leben im Tempel der [[Assyrer|assyrischen]] [[Liebesgottheit|Liebesgöttin]] [[Mylitta]] einem Freier für Geld hingeben, wobei freilich die Hübschen und Stattlichen schneller fertig wurden als die Hässlichen.<ref>Herodot, ''Historien'' 1, 199.</ref> An einen zu seiner Zeit stark zurückgegangenen oder gar versiegten Tempeldienst geweihter [[Hierodulen]] erinnert [[Strabon]] für den sizilischen [[Erice|Berg Eryx]] und in [[Korinth (antike Stadt)|Korinth]].<ref>Strabon, ''Geographika'' 6, 272; 8, 378.</ref> Aus Korinth ist ein frühes [[Graffito]] des [[Astarte]]-Namens überliefert, das eine Rezeption der orientalischen Kultbräuche wahrscheinlich macht.<ref>Martin Litchfield West: ''The east face of Helicon. West Asiatic elements in Greek poetry and myth.'' Clarendon Press, Oxford 1997, S. 56 f.</ref> Skeptisch gegenüber einer institutionalisierten „sakralen Prostitution“ in der griechischen Welt bleibt Vinciane Pirenne-Delforge.<ref name="DNP" />
Als Indiz eines orientalischen Einflusses wurde häufig die [[Tempelprostitution]] angesehen.<ref name="Burkert" /> Herodot berichtet von einem Brauch der [[Babylonier]], den er zwar selbst als deren „hässlichsten“ bezeichnet, der sich so ähnlich aber auch „hier und da“ in Zypern finde: Jede Frau müsse sich einmal im Leben im Tempel der [[Assyrer|assyrischen]] [[Liebesgottheit|Liebesgöttin]] [[Mylitta]] einem Freier für Geld hingeben, wobei freilich die Hübschen und Stattlichen schneller fertig wurden als die Hässlichen.<ref>Herodot, ''Historien'' 1,199</ref> An einen zu seiner Zeit stark zurückgegangenen oder gar versiegten Tempeldienst geweihter [[Hierodulen]] erinnert [[Strabon]] für den sizilischen [[Erice|Berg Eryx]] und in [[Korinth (antike Stadt)|Korinth]].<ref>Strabon, ''Geographika'' 6,272; 8,378</ref> Aus Korinth ist ein frühes [[Graffiti|Graffito]] des [[Astarte]]-Namens überliefert, das eine Rezeption der orientalischen Kultbräuche wahrscheinlich macht.<ref>Martin Litchfield West: ''The east face of Helicon. West Asiatic elements in Greek poetry and myth.'' Clarendon Press, Oxford 1997, S. 56 f.</ref> Skeptisch gegenüber einer institutionalisierten „sakralen Prostitution“ in der griechischen Welt bleibt Vinciane Pirenne-Delforge.<ref name="DNP" />


Die [[Indogermanistik|indogermanistisch]] fundierte Mythenforschung hat anhand sprachlicher Elemente, die übereinstimmend in den indischen [[Veden]] und der epischen Literatur des antiken Griechenlands sowie fallweise anderer [[Indogermanische Sprachen|indogermanischer Sprachen]] zu finden sind, einige aus der [[Indogermanische Religion|indogermanischen Religion]] ererbte Elemente des Aphrodite-Mythos aufgewiesen und so für eine Herkunft der mythologischen Figur von der indogermanischen Göttin der Morgenröte votiert. Hervorgehoben wurden dabei insbesondere das Bildmotiv der Schaumgeburt und das Aufsteigen der Göttin aus den Meeresfluten, welche auf den Sonnenaufgang verweisen und darüber hinaus ein einflussreiches Bildmotiv der antiken (und modernen) Kunstgeschichte darstellen.<ref name="Janda" />
Die [[Indogermanistik|indogermanistisch]] fundierte Mythenforschung hat anhand sprachlicher Elemente, die übereinstimmend in den indischen [[Veda|Veden]] und der epischen Literatur des antiken Griechenlands sowie fallweise anderer [[Indogermanische Sprachen|indogermanischer Sprachen]] zu finden sind, einige aus der [[Indogermanische Religion|indogermanischen Religion]] ererbte Elemente des Aphrodite-Mythos aufgewiesen und so für eine Herkunft der mythologischen Figur von der indogermanischen Göttin der Morgenröte votiert. Hervorgehoben wurden dabei insbesondere das Bildmotiv der Schaumgeburt und das Aufsteigen der Göttin aus den Meeresfluten, welche auf den Sonnenaufgang verweisen und darüber hinaus ein einflussreiches Bildmotiv der antiken (und modernen) Kunstgeschichte darstellen.<ref name="Janda" />


[[Datei:Aphrodite swan BM D2.jpg|mini|hochkant=0.9|Aphrodite auf einem Schwan, rotfiguriges [[Tondo]] des [[Pistoxenos-Maler]]s auf einer weiß grundierten attischen [[Kylix (Gefäß)|Kylix]], um 460 v. Chr. ([[British Museum]], London)]]
[[Datei:Aphrodite swan BM D2.jpg|mini|hochkant=0.9|Aphrodite auf einem Schwan, rotfiguriges [[Tondo]] des [[Pistoxenos-Maler]]s auf einer weiß grundierten attischen [[Kylix (Gefäß)|Kylix]], um 460 v.&nbsp;Chr. ([[British Museum]], London)]]


<gallery class="center" mode="nolines" widths="190" heights="145">
<gallery class="center" mode="nolines" widths="190" heights="145">
East pediment KLM Parthenon BM.jpg|Die Figuren K, L und M vom Ostfries des [[Parthenon]], rechts vielleicht Aphrodite, um 440 v. Chr. ([[British Museum]])
East pediment KLM Parthenon BM.jpg|Die Figuren K, L und M vom Ostfries des [[Parthenon]], rechts vielleicht Aphrodite, um 440 v.&nbsp;Chr. ([[British Museum]])
Afrodite di capua, copia romana da orig. greco ellenistico della 310-200 ac ca., 6017, 02.JPG|Aphrodite des Capua-Typs, römische Kopie nach einem hellenistischen Original des dritten Jahrhunderts v. Chr. ([[Archäologisches Nationalmuseum Neapel]])
Afrodite di capua, copia romana da orig. greco ellenistico della 310-200 ac ca., 6017, 02.JPG|Aphrodite des Capua-Typs, römische Kopie nach einem hellenistischen Original des dritten Jahrhunderts v.&nbsp;Chr. ([[Archäologisches Nationalmuseum Neapel]])
Marble Venus Genetrix CAC.JPG|Statue des sogenannten ''Venus-Genetrix''-Typs, erstes Jahrhundert v. Chr. ([[Iris & B. Gerald Cantor Center for Visual Arts]], Stanford)
Marble Venus Genetrix CAC.JPG|Statue des sogenannten ''Venus-Genetrix''-Typs, erstes Jahrhundert v.&nbsp;Chr. ([[Iris & B. Gerald Cantor Center for Visual Arts]], Stanford)
Venus of Arles Louvre Ma439 n01.jpg|Die ''Venus von Arles'', römische Kopie, vielleicht nach einem praxitelischen Original, im 17.&nbsp;Jahrhundert restauriert ([[Louvre]])<ref>Vgl. die einschlägigen Artikel der [[:en:Venus of Arles|englischen]] und [[:fr:Vénus d'Arles|französischen]] Wikipedia.</ref>
Venus of Arles Louvre Ma439 n01.jpg|Die ''Venus von Arles'', römische Kopie, vielleicht nach einem praxitelischen Original, im 17. Jahrhundert restauriert ([[Louvre]])<ref>Vgl. die einschlägigen Artikel der [[:en:Venus of Arles|englischen]] und [[:fr:Vénus d’Arles|französischen]] Wikipedia.</ref>
</gallery>
</gallery>


=== Symbole und Attribute ===
=== Symbole und Attribute ===
Die Göttin wird oft in Verbindung mit Tieren wie der [[Tauben|Taube]], der [[Schwalben|Schwalbe]], dem [[Schwäne|Schwan]] und dem [[Sperlinge|Sperling]] gebracht, aber auch der [[Huftiere|Bock]], die [[Schildkröte]] (auf ihr ruhte der Fuß des gold-elfenbeinernen Standbildes der Aphrodite Urania in [[Elis]] von der Hand des [[Phidias]]), der [[Delfine|Delphin]] und der [[Hasen|Hase]] können ihr Symbol sein. Ihr Symbol ist außerdem der [[Spiegel]].
Die Göttin wird oft in Verbindung mit Tieren wie der [[Tauben|Taube]], der [[Schwalben|Schwalbe]], dem [[Schwäne|Schwan]] und dem [[Sperlinge|Sperling]] gebracht, aber auch der [[Huftiere|Bock]], die [[Schildkröten|Schildkröte]] (auf ihr ruhte der Fuß des gold-elfenbeinernen Standbildes der Aphrodite Urania in [[Elis]] von der Hand des [[Phidias]]), der [[Delfine|Delphin]] und der [[Hasen|Hase]] können ihr Symbol sein. Ihr Symbole sind außerdem der [[Spiegel]] und der [[Gürtel der Venus]].


Insbesondere ist sie die Göttin der Blumen,<ref>Hesiod, ''Theogonie'' 194.</ref> Bäume und Früchte, unter denen ihr [[Windröschen|Anemone]], [[Rosen|Rose]], [[Zypressen|Zypresse]], [[Linden (Botanik)|Linde]], [[Myrte]] und [[Kulturapfel|Apfel]] heilig sind. Neben [[Griechischer Tempel|Tempeln]] besaß sie daher auch heilige [[Hain]]e. Häufig wurde sie mit dem im [[Urteil des Paris]] gewonnenen Apfel in der Hand dargestellt. Auch durch [[Oregano|Dost]], [[Granatapfel]] und [[Mohn]]blüte wird sie repräsentiert. Zu ihren Kranzblumen gehörte auch der spitzblättrige [[Spargel]] (''asparagus acutifolius''). Viele Pflanzen, die psychoaktiv oder erotisierend wirken ([[Aphrodisiaka]]), intensiv duften oder deren Form Symbolcharakter hat, wurden mit Aphrodite in Zusammenhang gebracht und zu ihren Festen verwendet.
Insbesondere ist sie die Göttin der Blumen,<ref>Hesiod, ''Theogonie'' 194</ref> Bäume und Früchte, unter denen ihr [[Windröschen|Anemone]], [[Rosen|Rose]], [[Zypressen|Zypresse]], [[Linden (Gattung)|Linde]], [[Myrte]] und [[Kulturapfel|Apfel]] heilig sind. Neben [[Griechischer Tempel|Tempeln]] besaß sie daher auch heilige [[Hain]]e. Häufig wurde sie mit dem im [[Urteil des Paris]] gewonnenen Apfel in der Hand dargestellt. Auch durch [[Oregano|Dost]], [[Granatapfel]] und [[Mohn]]blüte wird sie repräsentiert. Zu ihren Kranzblumen gehörte auch der spitzblättrige [[Spargel]] (''Asparagus acutifolius''). Viele Pflanzen, die psychoaktiv oder erotisierend wirken ([[Aphrodisiakum|Aphrodisiaka]]), intensiv duften oder deren Form Symbolcharakter hat, wurden mit Aphrodite in Zusammenhang gebracht und zu ihren Festen verwendet.


=== Beinamen und Epiklesen ===
=== Beinamen und Epiklesen ===
Zeile 118: Zeile 120:


==== Aphrodite Urania und Pandemos ====
==== Aphrodite Urania und Pandemos ====
[[Datei:Aphrodite head Kaufmann Louvre.jpg|mini|links|hochkant=0.9|[[Aphrodite von Knidos]], Kopf einer Statue nach einem praxite&shy;lischen Original, um 150 v. Chr. ([[Louvre]])]]
[[Datei:Aphrodite head Kaufmann Louvre.jpg|mini|links|hochkant=0.9|[[Aphrodite von Knidos]], Kopf einer Statue nach einem praxitelischen Original, um 150 v.&nbsp;Chr. ([[Louvre]])]]
[[Datei:Aphrodite Epitragia.jpg|mini|hochkant|Achat-Onyx-[[Kamee]] der ''Aphrodite epitragía'', um 100&nbsp;v.&nbsp;Chr. ([[Archäologisches Nationalmuseum Neapel]])]]
[[Datei:Aphrodite Epitragia.jpg|mini|hochkant|Achat-Onyx-[[Kamee]] der ''Aphrodite epitragía'', um 100 v.&nbsp;Chr. ([[Archäologisches Nationalmuseum Neapel]])]]


Nach Herodot war es speziell der Kult der [[Aphrodite Urania]] ({{lang|grc|Οὐρανία}} „die Himmlische“), der aus dem syrischen [[Askalon]] nach [[Zypern]] gelangt war.<ref name="Herodot, 1,105,2f." /> Nach Pausanias wurde der Kult der Urania zunächst im zyprischen [[Paphos]] angesiedelt.<ref>Pausanias 1, 14, 7. Schon in der ''Odyssee'' und den ''Homerischen Hymnen'' (4, 58) ist von Paphos als heimatlichem Bezirk der Aphrodite die Rede.</ref> Durch Kultepiklesen ist der Beiname für [[Attika (Landschaft)|Attika]], [[Korinth (antike Stadt)|Korinth]] (als {{lang|grc|Πειθώ Οὐρανία|Peithṓ Uranía}}<ref>Pindar, frg. 122 Bgk.</ref>) und das [[Krim|chersonesische]] [[Pantikapaion]] ({{lang|grc|Οὐρανία Ἀπατούρη Βοσπόρου μέδουσα|Uranía Apatoúrē Bospórou médousa}}) belegt. In Athen existierte „in den Gärten“ ({{lang|grc|ἐν κήποις}}), die wohl am [[Ilisos]] lagen, ein Tempel der Aphrodite Urania, die dort auf einem [[herme]]nartigen [[Idol]] als „älteste der Moiren“ bezeichnet wurde. Daneben gab es am selben Ort auch ein bedeutendes Standbild der Göttin von der Hand des [[Alkamenes (Bildhauer)|Alkamenes]].<ref>Pausanias [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0159%3Abook%3D1%3Achapter%3D19%3Asection%3D2 1, 19, 2]: {{lang|grc|δὲ ἐπίγραμμα σημαίνει τὴν Οὐρανίαν Ἀφροδίτην τῶν καλουμένων Μοιρῶν εἶναι πρεσβυτάτην. τὸ δὲ ἄγαλμα τῆς Ἀφροδίτης τῆς ἐν τοῖς Κήποις ἔργον ἐστὶν Ἀλκαμένους καὶ τῶν Ἀθήνῃσιν ἐν ὀλίγοις θέας ἄξιον.}}</ref> Pausanias berichtet von einem jährlichen Festbrauch, in dem jungfräuliche Priesterinnen, die sogenannten [[Arrephoroi|Arrephoren]], vom Tempel der [[Athene|Athene Polias]] mit unbekannter Fracht zum Heiligtum der Aphrodite „in den Gärten“ geschickt wurden, welches sie u.&nbsp;a. durch einen unterirdischen Gang erreichten, um dort wiederum verdeckte Gegenpost zu erhalten; im Anschluss an dieses Festritual, die Arrephoria, wurden die Priesterinnen aus dem Tempeldienst entlassen.<ref>Pausanias 1, 27, 3.</ref> Ein zweiter athenischer Tempel der Urania fand sich in der Nähe des [[Kerameikos]] und der [[Stoa Basileios]] mit einem Standbild des [[Phidias]].<ref>Pausanias 1, 14, 7.</ref> In [[Piräus]] stand ein Tempel der Aphrodite ''Syría Uranía'' ({{lang|grc|Συρία Οὐρανία}} „die Himmlische aus [[Syria|Syrien]]“).
Nach Herodot war es speziell der Kult der [[Aphrodite Urania]] ({{lang|grc|Οὐρανία}} „die Himmlische“), der aus dem syrischen [[Aschkelon|Askalon]] nach [[Zypern]] gelangt war.<ref name="Herodot, 1,105,2f." /> Nach Pausanias wurde der Kult der Urania zunächst im zyprischen [[Paphos]] angesiedelt.<ref>Pausanias 1,14,7. Schon in der ''Odyssee'' und den ''Homerischen Hymnen'' (4,58) ist von Paphos als heimatlichem Bezirk der Aphrodite die Rede.</ref> Durch Kultepiklesen ist der Beiname für [[Attika (Landschaft)|Attika]], [[Korinth (antike Stadt)|Korinth]] (als {{lang|grc|Πειθώ Οὐρανία|Peithṓ Ouranía}}<ref>Pindar Frg. 122 Bgk.</ref>) und das [[Krim|chersonesische]] [[Pantikapaion]] ({{lang|grc|Οὐρανία Ἀπατούρη Βοσπόρου μέδουσα|Ouranía Apatoúrē Bospórou médousa}}) belegt. In Athen existierte „in den Gärten“ ({{lang|grc|ἐν κήποις}}), die wohl am [[Ilisos]] lagen, ein Tempel der Aphrodite Urania, die dort auf einem [[herme]]nartigen [[Idol]] als „älteste der Moiren“ bezeichnet wurde. Daneben gab es am selben Ort auch ein bedeutendes Standbild der Göttin von der Hand des [[Alkamenes (Bildhauer)|Alkamenes]].<ref>Pausanias [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3A1999.01.0159%3Abook%3D1%3Achapter%3D19%3Asection%3D2 1,19,2]: {{lang|grc|δὲ ἐπίγραμμα σημαίνει τὴν Οὐρανίαν Ἀφροδίτην τῶν καλουμένων Μοιρῶν εἶναι πρεσβυτάτην. τὸ δὲ ἄγαλμα τῆς Ἀφροδίτης τῆς ἐν τοῖς Κήποις ἔργον ἐστὶν Ἀλκαμένους καὶ τῶν Ἀθήνῃσιν ἐν ὀλίγοις θέας ἄξιον.}}</ref> Pausanias berichtet von einem jährlichen Festbrauch, in dem jungfräuliche Priesterinnen, die sogenannten [[Arrephoroi|Arrephoren]], vom Tempel der [[Athene]] Polias mit unbekannter Fracht zum Heiligtum der Aphrodite „in den Gärten“ geschickt wurden, welches sie u.&nbsp;a. durch einen unterirdischen Gang erreichten, um dort wiederum verdeckte Gegenpost zu erhalten; im Anschluss an dieses Festritual, die Arrephoria, wurden die Priesterinnen aus dem Tempeldienst entlassen.<ref>Pausanias 1,27,3</ref> Ein zweiter athenischer Tempel der Urania fand sich in der Nähe des [[Kerameikos]] und der [[Stoa Basileios]] mit einem Standbild des [[Phidias]].<ref>Pausanias 1,14,7</ref> In [[Piräus]] stand ein Tempel der Aphrodite ''Syría Uranía'' ({{lang|grc|Συρία Οὐρανία}} „die Himmlische aus [[Syria|Syrien]]“).


Der Beiname der ''Pándemos'' ({{lang|grc|Πάνδημος}} „die bei jeglichem Volk“, von {{lang|grc|ὁ δῆμος|ho dêmos}} „Volk, Gemeinde“) wurde mit der politischen Organisation verschiedener Gemeinwesen verknüpft (vgl. [[Demos]]).<ref>So von Athen: Pausanias 1, 22, 1 ff.<br /> Für [[Kos]] vgl. Vinciane Pirenne-Delforge: ''Flourishing Aphrodite: An Overview.'' In: Smith und Pickup (Hrsg.): ''Brill's Companion to Aphrodite'', S. 3–16, hier S. 14 f.</ref> Aphrodite fungierte dabei als Gottheit der „staatsbürgerlichen Eintracht und Harmonie“.<ref name="DNP" /> Die attische Pandemos hieß daneben auch ''epitragía'' ({{lang|grc|ἐπιτραγία}} „die auf dem Bocke“), angeblich weil sich bei der Abfahrt des [[Theseus]] nach Kreta die Opferziege in einen Bock verwandelt habe. Bocksopfer waren überregional charakteristisch für Aphrodite. Als Polisgöttin diente Aphrodite darüber hinaus vermutlich im [[Epirus (historische Region)|epirotischen]] [[Kassope]] und im thessalischen [[Metropolis (Thessalien)|Metropolis]].<ref name="DNP" /> Gelegentlich traten die beiden Epiklesen auch nebeneinander auf. So rühmte sich das [[Böotien|böotische]] [[Theben (Böotien)|Theben]] dreier archaischer Holzbilder der Aphrodite Urania, Pandemos und ''Apostrophía'' ({{lang|grc|Ἀποστροφία}} „Abwenderin“), die durch [[Harmonia]] gestiftet und aus den Bugfiguren der Schiffe des [[Kadmos]] erstellt worden seien.<ref>Pausanias 9, 16, 3.</ref>
Der Beiname der ''Pándemos'' ({{lang|grc|Πάνδημος}} „die bei jeglichem Volk“, von {{lang|grc|ὁ δῆμος|ho dḗmos}} „Volk, Gemeinde“) wurde mit der politischen Organisation verschiedener Gemeinwesen verknüpft (vgl. [[Demos]]).<ref>So von Athen: Pausanias 1,22,1 ff. Für [[Kos]] vgl. Vinciane Pirenne-Delforge: ''Flourishing Aphrodite: An Overview.'' In: Smith und Pickup (Hrsg.): ''Brill’s Companion to Aphrodite.'' S. 3–16, hier S. 14 f.</ref> Aphrodite fungierte dabei als Gottheit der „staatsbürgerlichen Eintracht und Harmonie“.<ref name="DNP" /> Die attische Pandemos hieß daneben auch ''epitragía'' ({{lang|grc|ἐπιτραγία}} „die auf dem Bocke“), angeblich weil sich bei der Abfahrt des [[Theseus]] nach Kreta die Opferziege in einen Bock verwandelt habe. Bocksopfer waren überregional charakteristisch für Aphrodite. Als Polisgöttin diente Aphrodite darüber hinaus vermutlich im [[Epirus (historische Region)|epirotischen]] [[Kassope]] und im thessalischen [[Metropolis (Thessalien)|Metropolis]].<ref name="DNP" /> Gelegentlich traten die beiden Epiklesen auch nebeneinander auf. So rühmte sich das [[Boiotien|boiotische]] [[Theben (Böotien)|Theben]] dreier archaischer Holzbilder der Aphrodite Urania, Pandemos und ''Apostrophía'' ({{lang|grc|Ἀποστροφία}} „Abwenderin“), die durch [[Harmonia]] gestiftet und aus den Bugfiguren der Schiffe des [[Kadmos]] erstellt worden seien.<ref>Pausanias 9,16,3</ref>


[[Datei:Sommer, Giorgio (1834-1914) - n. 1895 - Venere Urania (Firenze).jpg|mini|hochkant|Florentiner Statue der Aphrodite, fotografiert von [[Giorgio Sommer]]]]
[[Datei:Venere, detta celeste, con torso del I-II secolo dc, testa del 100-150 dc ca. e integrazioni del xvi secolo, 00.jpg|mini|hochkant|Florentiner Statue der Aphrodite, fotografiert von [[Giorgio Sommer]]]]
[[Datei:Sommer, Giorgio (1834-1914) - n. 1521 - Napoli Museo nazionale - Venere callipigia.jpg|mini|hochkant|Statue der sogenannten ''[[Aphrodite Kallipygos]]'', gefunden in Rom (heute im [[Archäologisches Nationalmuseum Neapel|Archäologischen National&shy;museum Neapel]])]]
[[Datei:Sommer, Giorgio (1834-1914) - n. 1521 - Napoli Museo nazionale - Venere callipigia.jpg|mini|hochkant|Statue der sogenannten ''[[Aphrodite Kallipygos]]'', gefunden in Rom (heute im [[Archäologisches Nationalmuseum Neapel|Archäologischen National&shy;museum Neapel]])]]


==== Aphrodite als Meeresgöttin, Argynnis ====
==== Aphrodite als Meeresgöttin, Argynnis ====
Bedeutend waren zudem verschiedene Beinamen, die auf die Sphäre des Meeres und der Schifffahrt Bezug nahmen: ''Pelagía'' ({{lang|grc|Πελαγία}}, vgl. die heilige [[Pelagia]]), ''Pontía'' ({{lang|grc|Ποντία}}), ''Thalassía'' ({{lang|grc|Θαλασσία}} „die vom Meer“), ''Eúploia'' ({{lang|grc|Εὔπλοια}} „die gute Seefahrt verleiht“, so auf [[Knidos]]<ref name="Pausanias, 1,1,3" />) oder auch ''Limenía'' ({{lang|grc|Λιμενία}} „die vom sicheren Hafen“<ref name="Pausanias, 2,34,11">Pausanias [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus:abo:tlg,0525,001:2:34:11&lang=original 2, 34, 11]: {{lang|grc|Ἀφροδίτης ναός ἐστιν ἐπίκλησιν Ποντίας καὶ Λιμενίας.}}</ref>) hieß Aphrodite als Schaumgeborene und Nothelferin der Seefahrer.<ref>Vgl. Horaz, ''Carmina'' 1,3,1.</ref><ref name="Janda" /><ref>Chryssanthi Papadopoulou: ''Aphrodite and the fleet in classical Athens''. In: Smith und Pickup (Hrsg.): ''Brill's Companion to Aphrodite'', S. 217 ff.</ref> Als einer der bemerkenswertesten Tempel der Aphrodite Pontia und Limenia wird der von [[Ermioni|Hermione]] in der [[Argolis]] erwähnt, wo man über ein eindrucksvolles Marmorstandbild verfügte.<ref name="Pausanias, 2,34,11" /> Nicht zuletzt war [[Thalassa (Mythologie)|Thalassa]] („die See“) die ‚Mutter‘ der Liebesgöttin nach einem der Geburtsberichte; sie selbst wurde häufig mit [[Poseidon]] zusammen verehrt, so namentlich in der Argolis und [[Arkadien]], in [[Korinth (antike Stadt)|Korinth]], [[Orchomenos]] und [[Patrai]].<ref name="RE" />
Bedeutend waren zudem verschiedene Beinamen, die auf die Sphäre des Meeres und der Schifffahrt Bezug nahmen: ''Pelagía'' ({{lang|grc|Πελαγία}}, vgl. die heilige [[Pelagia]]), ''Pontía'' ({{lang|grc|Ποντία}}), ''Thalassía'' ({{lang|grc|Θαλασσία}} „die vom Meer“), ''Eúploia'' ({{lang|grc|Εὔπλοια}} „die gute Seefahrt verleiht“, so auf [[Knidos]]<ref name="Pausanias, 1,1,3" />) oder auch ''Limenía'' ({{lang|grc|Λιμενία}} „die vom sicheren Hafen“<ref name="Pausanias, 2,34,11">Pausanias [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus:abo:tlg,0525,001:2:34:11&lang=original 2,34,11]: {{lang|grc|Ἀφροδίτης ναός ἐστιν ἐπίκλησιν Ποντίας καὶ Λιμενίας.}}</ref>) hieß Aphrodite als Schaumgeborene und Nothelferin der Seefahrer.<ref>Vgl. Horaz, ''Carmina'' 1,3,1</ref><ref name="Janda" /><ref>Chryssanthi Papadopoulou: ''Aphrodite and the fleet in classical Athens.'' In: Smith und Pickup (Hrsg.): ''Brill’s Companion to Aphrodite.'' S. 217 ff.</ref> Als einer der bemerkenswertesten Tempel der Aphrodite Pontia und Limenia wird der von [[Ermioni|Hermione]] in der [[Argolis]] erwähnt, wo man über ein eindrucksvolles Marmorstandbild verfügte.<ref name="Pausanias, 2,34,11" /> Nicht zuletzt war [[Thalassa (Mythologie)|Thalassa]] („die See“) die ‚Mutter‘ der Liebesgöttin nach einem der Geburtsberichte; sie selbst wurde häufig mit [[Poseidon]] zusammen verehrt, so namentlich in der Argolis und [[Arkadien]], in [[Korinth (antike Stadt)|Korinth]], [[Orchomenos]] und [[Patrai]].<ref name="RE" />


Als ''Argynnís'' ({{lang|grc|Ἀργυννίς}}, auch ''Argounis'', {{lang|grc|Ἀργουνίς}})<ref>{{RE|II,1|799||Argynnis|[[Otto Jessen (Philologe)|Otto Jessen]]|RE:Argynnis}}</ref> wurde Aphrodite in [[Böotien]] verehrt. Hier soll [[Agamemnon]] den jungen [[Argynnos]] im [[Kephisos]] schwimmen gesehen und sich in ihn verliebt haben, so dass er die in Elis versammelten Griechen vergaß. Dem ertrunkenen Argynnos weihte er ein Aphrodite-Heiligtum, das Argynnion. Friedrich Max Müller<ref name="Müller" /> und jüngst Michael Janda<ref>Janda: ''Elysion'', S. 333 f.</ref> haben den Beinamen mit einem Epitheton der vedischen [[Ushas|Uṣas]] (''árjunī-'' „hellglänzend“) verknüpft und darin eine Bestätigung der Verwandtschaft der beiden Göttinnen gesehen.<ref name="Kölligan" />
Als ''Argynnís'' ({{lang|grc|Ἀργυννίς}}, auch ''Argounís'', {{lang|grc|Ἀργουνίς}})<ref>{{RE|II,1|799||Argynnis|[[Otto Jessen (Philologe)|Otto Jessen]]|RE:Argynnis}}</ref> wurde Aphrodite in [[Boiotien]] verehrt. Hier soll [[Agamemnon]] den jungen [[Argynnos]] im [[Kifisos (Böotien)|Kephisos]] schwimmen gesehen und sich in ihn verliebt haben, so dass er die in Elis versammelten Griechen vergaß. Dem ertrunkenen Argynnos weihte er ein Aphrodite-Heiligtum, das Argynnion. Friedrich Max Müller<ref name="Müller" /> und jüngst Michael Janda<ref>Janda: ''Elysion.'' S. 333 f.</ref> haben den Beinamen mit einem Epitheton der vedischen [[Ushas|Uṣas]] (''árjunī-'' „hellglänzend“) verknüpft und darin eine Bestätigung der Verwandtschaft der beiden Göttinnen gesehen.<ref name="Kölligan" />


==== Aphrodite als Eheschließerin ====
==== Aphrodite als Eheschließerin ====
Als ''Nymphía'' ({{lang|grc|Νυμφία}} „die Bräutliche“) wurde Aphrodite in Hermione verehrt. Hier opferten Jungfrauen vor der Eheschließung ebenso wie Witwen, die sich wieder verheiraten wollten.<ref>Pausanias 2, 32, 7; 2, 34, 12.</ref> Ähnlich mutet der Kult der ''Aphrodite Hera'' in Sparta an, bei deren hölzernem Bild Mütter opferten, wenn ihre Töchter heirateten.<ref>Pausanias 3, 13, 9.</ref><ref name="DNP" />
Als ''Nymphía'' ({{lang|grc|Νυμφία}} „die Bräutliche“) wurde Aphrodite in Hermione verehrt. Hier opferten Jungfrauen vor der Eheschließung ebenso wie Witwen, die sich wieder verheiraten wollten.<ref>Pausanias 2,32,7; 2,34,12</ref> Ähnlich mutet der Kult der ''Aphrodite Hera'' in Sparta an, bei deren hölzernem Bild Mütter opferten, wenn ihre Töchter heirateten.<ref>Pausanias 3,13,9</ref><ref name="DNP" />


==== Die kriegerische Aphrodite ====
==== Die kriegerische Aphrodite ====
Der Beiname ''Areía'' ({{lang|grc|Ἀρεία}}), unter dem Aphrodite in [[Sparta]] mit einem der ältesten griechischen Holzbilder verehrt wurde,<ref>Pausanias 3, 17, 5.</ref> ist wohl als „die zum Ares Gehörige“ zu verstehen; der byzantinische [[Scholion|Scholiast]] [[Johannes Tzetzes|Tzetzes]] verband den Namen gleichwohl eher mit [[Harmonia]] als mit Aphrodites Gemahl [[Ares]].<ref>Tzetzes, ''ad Lycophronem'' 832.</ref> In [[Delphi]] verehrte man Aphrodite unter dem Beinamen ''árma'' ({{lang|grc|ἄρμα}}), was als eine Umschreibung des Liebesaspekts der Göttin gilt.<ref name="RE" /> Eindeutig auf eine waffentragende [[Liebesgottheit|Liebesgöttin]] deuten dagegen Epiklesen wie jene der ebenfalls in Sparta belegten ''enóplios'' ({{lang|grc|ἐνόπλιος}} „die Gerüstete“) hin. Pausanias berichtet von einem Heiligtum in [[Akrokorinth]], in dem sie in Waffen gemeinsam mit [[Helios]] und dem bogenbewehrten [[Eros (Mythologie)|Eros]] verehrt wurde.<ref>Pausanias 2, 5, 1; 3, 5, 10.</ref> In Sparta wurde die ''enóplios'' hingegen zusammen mit den [[Moiren]] und der [[Artemis]] verehrt. Laut Stephanie L. Budin sind die meisten Kulte einer waffentragenden Aphrodite (mit Ausnahme des spartanischen) erst aus hellenistischer (so in Süditalien) oder römischer Zeit (Korinth) belegt; denkbar sei daher auch die Beeinflussung durch die römische [[Venus Victrix]].<ref>Stephanie L. Budin: ''Aphrodite ''enoplion. In: Amy C. Smith und Sadie Pickup (Hrsg.): ''Brill's Companion to Aphrodite'', S. 79–112.</ref> Gabriella Pironti hat auf die vielfältigen Anknüpfungspunkte verwiesen, die sich im Mythos (Geburt aus einer Bluttat, Heirat mit dem Kriegsgott Ares) und Kult der Aphrodite für die Entfaltung eines kriegerischen Aspektes böten: Aphrodite Pandemos als Polis-Göttin hätte naturgemäß einen Einfluss auf Sieg und Niederlage ihres Demos.<ref>Gabriella Pironti: ''Rethinking Aphrodite as a Goddess at Work.'' In: Amy C. Smith und Sadie Pickup (Hrsg.): ''Brill's Companion to Aphrodite'', S. 113–130.</ref>
Der Beiname ''Areía'' ({{lang|grc|Ἀρεία}}), unter dem Aphrodite in [[Sparta]] mit einem der ältesten griechischen Holzbilder verehrt wurde,<ref>Pausanias 3,17,5</ref> ist wohl als „die zum Ares Gehörige“ zu verstehen; der byzantinische [[Scholion|Scholiast]] [[Johannes Tzetzes|Tzetzes]] verband den Namen gleichwohl eher mit [[Harmonia]] als mit Aphrodites Gemahl [[Ares]].<ref>Tzetzes, ''ad Lycophronem'' 832</ref> In [[Delphi]] verehrte man Aphrodite unter dem Beinamen ''árma'' ({{lang|grc|ἄρμα}}), was als eine Umschreibung des Liebesaspekts der Göttin gilt.<ref name="RE" /> Eindeutig auf eine waffentragende [[Liebesgottheit|Liebesgöttin]] deuten dagegen Epiklesen wie jene der ebenfalls in Sparta belegten ''enóplios'' ({{lang|grc|ἐνόπλιος}} „die Gerüstete“) hin. Pausanias berichtet von einem Heiligtum in [[Akrokorinth]], in dem sie in Waffen gemeinsam mit [[Helios]] und dem bogenbewehrten [[Eros (Mythologie)|Eros]] verehrt wurde.<ref>Pausanias 2,5,1; 3,5,10</ref> In Sparta wurde die ''enóplios'' hingegen zusammen mit den [[Moiren]] und der [[Artemis]] verehrt. Laut Stephanie L. Budin sind die meisten Kulte einer waffentragenden Aphrodite (mit Ausnahme des spartanischen) erst aus hellenistischer (so in Süditalien) oder römischer Zeit (Korinth) belegt; denkbar sei daher auch die Beeinflussung durch die römische [[Venus Victrix]].<ref>Stephanie L. Budin: ''Aphrodite enoplion.'' In: Amy C. Smith, Sadie Pickup (Hrsg.): ''Brill’s Companion to Aphrodite.'' S. 79–112.</ref> Gabriella Pironti hat auf die vielfältigen Anknüpfungspunkte verwiesen, die sich im Mythos (Geburt aus einer Bluttat, Heirat mit dem Kriegsgott Ares) und Kult der Aphrodite für die Entfaltung eines kriegerischen Aspektes böten: Aphrodite Pandemos als Polis-Göttin hätte naturgemäß einen Einfluss auf Sieg und Niederlage ihres Demos.<ref>Gabriella Pironti: ''Rethinking Aphrodite as a Goddess at Work.'' In: Amy C. Smith, Sadie Pickup (Hrsg.): ''Brill’s Companion to Aphrodite.'' S. 113–130.</ref>


==== Aphrodite die Dunkle, Aphroditos, Hermaphroditos ====
==== Aphrodite die Dunkle, Aphroditos, Hermaphroditos ====
''Melainís'' oder ''Mélaina'' ({{lang|grc|Μελαινίς, Μέλαιν}}α „die Schwarze“) hieß Aphrodite in Korinth,<ref>Pausanias 2, 2, 4.</ref> in [[Thespiai]]<ref>Pausanias 9, 27, 5.</ref> und [[Mantineia (Stadt)|Mantinea]], wo die Göttin gemeinsam mit dem [[Dionysos]] verehrt wurde. Pausanias bezieht den Namen auf die Schwärze der Nacht, da beim Menschen die Begattungen nicht wie bei den Tieren am Tage geschehen, sondern in der Nacht.<ref>Pausanias 8, 6, 5.</ref> Neuerdings wurde die Epiklese als Ausdruck eines [[Chthonische Götter|chthonischen Aspekts]] der Liebesgöttin gedeutet, die über die „schwarze Erde“ herrsche.<ref name="DNP" /> Zu vergleichen ist vielleicht der aus [[Phaistos]] belegte Beiname der ''Skotía'' ({{lang|grc|Σκοτία}} „die Dunkle“). Eine Aphrodite ''epitymbidía'' ({{lang|grc|ἐπιτυμβιδία}} „die von den Gräbern“) wurde in [[Delphi]] mit [[Trankopfer]]n verehrt und sollte zur [[Totenbeschwörung|Psychomantie]] verhelfen.<ref>[[Plutarch]], ''Quaestiones Romanae'' 23; ders., ''Moralia'' 269b.</ref> Auf einen noch dunkleren Aspekt&nbsp;– den der Rache nehmenden Göttin&nbsp;– nehmen Epiklesen wie ''androphónos'' ({{lang|grc|ἀνδροφόνος}} „die Männermordende“)<ref>{{RE|I,2|2169||Androphonos|[[Otto Jessen]]|RE:Androphonos}}</ref> und ''anosía'' ({{lang|grc|ἀνοσία}} „die Unheilige“)<ref>{{RE|I,2|2335||Anosia|[[Georg Wentzel]]|RE:Anosia}}</ref> Bezug.
''Melainís'' oder ''Mélaina'' ({{lang|grc|Μελαινίς, Μέλαινα}} „die Schwarze“) hieß Aphrodite in Korinth,<ref>Pausanias 2,2,4</ref> in [[Thespiai]]<ref>Pausanias 9,27,5</ref> und [[Mantineia (Stadt)|Mantinea]], wo die Göttin gemeinsam mit dem [[Dionysos]] verehrt wurde. Pausanias bezieht den Namen auf die Schwärze der Nacht, da beim Menschen die Begattungen nicht wie bei den Tieren am Tage geschehen, sondern in der Nacht.<ref>Pausanias 8,6,5</ref> Neuerdings wurde die Epiklese als Ausdruck eines [[Chthonische Götter|chthonischen Aspekts]] der Liebesgöttin gedeutet, die über die „schwarze Erde“ herrsche.<ref name="DNP" /> Zu vergleichen ist vielleicht der aus [[Phaistos]] belegte Beiname der ''Skotía'' ({{lang|grc|Σκοτία}} „die Dunkle“). Eine Aphrodite ''epitymbidía'' ({{lang|grc|ἐπιτυμβιδία}} „die von den Gräbern“) wurde in [[Delphi]] mit [[Trankopfer]]n verehrt und sollte zur [[Totenbeschwörung|Psychomantie]] verhelfen.<ref>[[Plutarch]], ''Quaestiones Romanae'' 23; ders., ''Moralia'' 269b</ref> Auf einen noch dunkleren Aspekt&nbsp;– den der Rache nehmenden Göttin&nbsp;– nehmen Epiklesen wie ''androphónos'' ({{lang|grc|ἀνδροφόνος}} „die Männermordende“)<ref>{{RE|I,2|2169||Androphonos|[[Otto Jessen (Philologe)|Otto Jessen]]|RE:Androphonos}}</ref> und ''anosía'' ({{lang|grc|ἀνοσία}} „die Unheilige“)<ref>{{RE|I,2|2335||Anosia|[[Georg Wentzel]]|RE:Anosia}}</ref> Bezug.


Die Varianten [[Aphroditos]] ({{lang|grc|Ἀφρόδιτος}}) und [[Hermaphroditos]] ({{lang|grc|Ἑρμαφρόδιτος}}) bezeichneten vermännlichte Formen der Aphrodite mit maskuliner, manchmal bärtiger Gestalt wie in [[Amathous (Zypern)|Amathous]] auf Zypern.<ref>Aristophanes, frg. 702; vgl. {{RE|I,2|2794|2795|Aphroditos|[[Karl Tümpel]]|RE:Aphroditos}}</ref>
Die Varianten [[Aphroditos]] ({{lang|grc|Ἀφρόδιτος}}) und [[Hermaphroditos]] ({{lang|grc|Ἑρμαφρόδιτος}}) bezeichneten vermännlichte Formen der Aphrodite mit maskuliner, manchmal bärtiger Gestalt wie in [[Amathous (Zypern)|Amathous]] auf Zypern.<ref>Aristophanes Frg. 702; vgl. {{RE|I,2|2794|2795|Aphroditos|[[Karl Tümpel]]|RE:Aphroditos}}</ref>


==== Lokale Kulte ====
==== Lokale Kulte ====
''[[Akraia (Beiname)|Akraía]]'' ({{lang|grc|Ἀκραία}} „die von den Gipfeln“; vgl. [[Aphrodite Akraia]]) ist wie bei anderen Göttern so auch in Aphrodites Fall verbunden mit Bergheiligtümern, die in [[Knidos]]<ref name="Pausanias, 1,1,3">Pausanias [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus:abo:tlg,0525,001:1:1:3&lang=original 1, 1, 3]: {{lang|grc|Κνίδιοι γὰρ τιμῶσιν Ἀφροδίτην μάλιστα, καί σφισιν ἔστιν ἱερὰ τῆς θεοῦ: τὸ μὲν γὰρ ἀρχαιότατον Δωρίτιδος, μετὰ δὲ τὸ Ἀκραίας, νεώτατον δὲ ἣν Κνιδίαν οἱ πολλοί, Κνίδιοι δὲ αὐτοὶ καλοῦσιν Εὔπλοιαν.}}</ref>, [[Troizen (Stadt)|Troizen]],<ref>Pausanias 2, 32, 6.</ref> auf [[Zypern]]<ref>[[Strabon]], ''Geographika'' 14, 682.</ref> und in [[Argos (Stadt)|Argos]]<ref>[[Hesychios von Alexandria]].</ref> belegt sind. Eventuell hingen diese Bergheiligtümer mit dem uranischen Aspekt der Gottheit zusammen.
''[[Akraia (Beiname)|Akraía]]'' ({{lang|grc|Ἀκραία}} „die von den Gipfeln“; vgl. [[Aphrodite Akraia]]) ist wie bei anderen Göttern so auch in Aphrodites Fall verbunden mit Bergheiligtümern, die in [[Knidos]]<ref name="Pausanias, 1,1,3">Pausanias [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus:abo:tlg,0525,001:1:1:3&lang=original 1,1,3]: {{lang|grc|Κνίδιοι γὰρ τιμῶσιν Ἀφροδίτην μάλιστα, καί σφισιν ἔστιν ἱερὰ τῆς θεοῦ: τὸ μὲν γὰρ ἀρχαιότατον Δωρίτιδος, μετὰ δὲ τὸ Ἀκραίας, νεώτατον δὲ ἣν Κνιδίαν οἱ πολλοί, Κνίδιοι δὲ αὐτοὶ καλοῦσιν Εὔπλοιαν.}}</ref>, [[Troizen (Stadt)|Troizen]],<ref>Pausanias 2,32,6</ref> auf [[Zypern]]<ref>[[Strabon]], ''Geographika'' 14,682</ref> und in [[Argos (Stadt)|Argos]]<ref>[[Hesychios von Alexandria]]</ref> belegt sind. Eventuell hingen diese Bergheiligtümer mit dem uranischen Aspekt der Gottheit zusammen.


''Akidalía'' ({{lang|grc|Ἀκιδαλία}}, Acidalia mater) als Beiname der Aphrodite verbindet sich mit der [[Böotien|böotischen]] Akidalia-Quelle, an der sie als Gattin des [[Dionysos]] und Mutter der (in dem Quell badenden) [[Chariten]] verehrt wurde.<ref name="Akidalia" /> In [[Dodona]] wurde vor allem Zeus mit seiner ersten Gattin [[Dione (Mutter der Aphrodite)|Dione]]&nbsp;– nach Homer die Mutter der Aphrodite&nbsp;– verehrt. Der [[Vergil]]-Kommentator [[Maurus Servius Honoratus]] spricht allerdings kurzerhand von einem Zeus und der Aphrodite geweihten Tempel („ubi Iovi et Veneri templum a veteribus fuerat consecratum“).<ref>Maurus Servius Honoratus, ''In Vergilii carmina comentarii'' [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus:text:1999.02.0053:book=3:commline=466&highlight=dodona%2Cdodonae 3,466].<br />Vgl. Karl Kerényi: ''Die Mythologie der Griechen.'' Band 1: ''Die Götter- und Menschheitsgeschichten.'' dtv, München 2007, S. 57.</ref> Herodot berichtet von der Gründung des Orakels durch eine im ägyptischen Theben freigelassene Taube, die der Historiker selbst als von dort entsandte Priesterin dechiffriert.<ref>Herodot, ''Historien'' 2, 54–57.</ref>
''Akidalía'' ({{lang|grc|Ἀκιδαλία}}, ''Acidalia mater'') als Beiname der Aphrodite verbindet sich mit der [[Boiotien|boiotischen]] Akidalia-Quelle, an der sie als Gattin des [[Dionysos]] und Mutter der (in dem Quell badenden) [[Chariten]] verehrt wurde.<ref name="Akidalia" /> In [[Dodona]] wurde vor allem Zeus mit seiner ersten Gattin [[Dione (Mutter der Aphrodite)|Dione]]&nbsp;– nach Homer die Mutter der Aphrodite&nbsp;– verehrt. Der [[Vergil]]-Kommentator [[Maurus Servius Honoratus]] spricht allerdings kurzerhand von einem Zeus und der Aphrodite geweihten Tempel ({{lang|la|„ubi Iovi et Veneri templum a veteribus fuerat consecratum“}}).<ref>Maurus Servius Honoratus, ''In Vergilii carmina comentarii'' [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus:text:1999.02.0053:book=3:commline=466&highlight=dodona%2Cdodonae 3,466]. Vgl. Karl Kerényi: ''Die Mythologie der Griechen.'' Band 1: ''Die Götter- und Menschheitsgeschichten.'' dtv, München 2007, S. 57.</ref> Herodot berichtet von der Gründung des Orakels durch eine im ägyptischen Theben freigelassene Taube, die der Historiker selbst als von dort entsandte Priesterin dechiffriert.<ref>Herodot, ''Historien'' 2,54–57</ref>


''[[Erykine|Erykíne]]'' ({{lang|grc|Ἐρυκίνη}}, lat. Erycina) hieß die Göttin nach einem Heiligtum am [[Erice|Berg Eryx]] auf Sizilien, dessen Name seinerseits auf den eines Aphrodite-Sohns [[Eryx (Mythologie)|Eryx]] zurückgeführt wird. ''[[Idalia]]'' war ein nur selten bei den Römern gebrauchter Beiname nach der Stadt [[Idalion (Königreich)|Idalion]] auf Zypern, wo es [[Temenos]] und [[Tempel]] der Aphrodite gab.
''[[Erykine|Erykíne]]'' ({{lang|grc|Ἐρυκίνη|la=Erycina}}) hieß die Göttin nach einem Heiligtum am [[Erice|Berg Eryx]] auf Sizilien, dessen Name seinerseits auf den eines Aphrodite-Sohns [[Eryx (Mythologie)|Eryx]] zurückgeführt wird. ''[[Idalia]]'' war ein nur selten bei den Römern gebrauchter Beiname nach der Stadt [[Idalion (Königreich)|Idalion]] auf Zypern, wo es [[Temenos]] und [[Tempel]] der Aphrodite gab.


''Kýpris, Kypría, Kyprogenḗs'' oder ''Kyprogéneia'' ({{lang|grc|Κύπρις, Κυπρία, Κυπρογενής, Κυπρογένεια}} „Kyprosgeborene“; lat. Cypria) leitet sich von der Insel [[Kypros]] ab, vor deren Küsten sie nach einem ihrer Geburtsmythen zur Welt kam.<ref>''Homerische Hymnen'' 10, 1; Alkman, frg. 21 Bgk.</ref> Nach Pindar ist Aphrodite Herrin über Kypros.<ref>Pindar, frg. 122, 14.</ref> Strabon bringt zwei Zitate nach Alkman und Aischylos (oder Archilochos?), die jeweils Kypros und Paphos (als ''totum'' und ''pars'') zum Reich der Aphrodite erklären.<ref name="Strabon 8,341">Strabon, ''Geographika'' 8, 341.</ref> In [[Paphos|Palaia Paphos]] (Alt-Paphos) am Ortsrand der heutigen Ortschaft [[Kouklia]] auf [[Zypern]] befand sich eines der bedeutendsten Zentren der Verehrung der Aphrodite<ref>Vgl. Sappho, frg. 133 Bgk.&nbsp;– Pausanias (1, 14, 7) berichtet vom Primat der Paphier bei der Übernahme des phönizischen Urania-Kultes.</ref><ref name="Strabon 8,341" />, woher der Beiname ''Paphía'' ({{lang|grc|Παφία}} „die Paphische“) rührte. Touristischen Wert erhält diese Verbindung des Aphrodite-Kults mit Paphos heute, wenn die südlich von Kouklia gelegene ''Pétra tou Romioú'' ({{lang|el|Πέτρα του Ρωμιού}} „Römerfels, Griechenfels“) als Geburtsort der Aphrodite ausgegeben wird.<ref>Martina Seifert: ''Aphrodite – eine Liebesgöttin auf einer langen Reise''. In: Dies.: ''Aphrodite. Herrin des Krieges, Göttin der Liebe.'' Philipp von Zabern Verlag, Mainz 2009, S. 14–26. Vgl. den Artikel der englischen Wikipedia zur [[:en:Petra tou Romiou|Petra tou Romiou]].</ref> Daneben war ein auf den Ruinen einer älteren Basilika errichteter [[Zypern#Genua und Venedig|mittelalterlicher]] Kirchenbau in [[Paphos|Neu-Paphos]], der heute nach der ''Agía Kyriakí Chrysopolítissa'' ({{lang|el|Αγία Κυριακή Χρυσοπολίτισσα}}) benannt ist, bis zu Beginn des 20.&nbsp;Jahrhunderts der ''Panagía Afrodítissa'' ({{lang|el|Παναγία Αφροδίτισσα}}, sinngemäß „Allerheiligste Gottesmutter der Aphrodite“) geweiht; hier soll auch [[Paulus von Tarsus|Paulus]] gemeinsam mit dem [[Barnabas (Apostel)|heiligen Barnabas]] das Evangelium verkündet haben ([[Apostelgeschichte des Lukas|Apg]] 13,6–12).<ref>{{lang|el|Θανάσης Φωτιάδης}} (Thanásis Photiádis): ''{{lang|el|Γυναικοκρατία (μητριαρχία). Ελληνική συμβολή στην εθνολογία}}'' (dt. „Frauenherrschaft [Matriarchat]. Griechischer Beitrag zur Ethnologie“). {{lang|el|Εκδόσεις Χατζηνικολή}} (Ekdóseis Chatzinikolí), Athen 1980, S. 94 (griechisch). Vgl. auch die [http://paphosanglicanchurch.org/our-churches/ayia-kyriaki/ Website] der Anglican Church of Paphos.</ref>
''Kýpris, Kypría, Kyprogenḗs'' oder ''Kyprogéneia'' ({{lang|grc|Κύπρις, Κυπρία, Κυπρογενής, Κυπρογένεια}} „Kyprosgeborene“; lat. ''Cypria'') leitet sich von der Insel [[Zypern]] ab, vor deren Küsten sie nach einem ihrer Geburtsmythen zur Welt kam.<ref>''Homerische Hymnen'' 10,1; Alkman Frg. 21 Bgk.</ref> Nach Pindar ist Aphrodite Herrin über Kypros.<ref>Pindar Frg. 122,14</ref> Strabon bringt zwei Zitate nach Alkman und Aischylos (oder Archilochos?), die jeweils Kypros und Paphos (als ''{{lang|la|totum}}'' und ''{{lang|la|pars}}'') zum Reich der Aphrodite erklären.<ref name="Strabon 8,341">Strabon, ''Geographika'' 8,341</ref> In [[Paphos|Palaia Paphos]] (Alt-Paphos) am Ortsrand der heutigen Ortschaft [[Kouklia]] auf Zypern befand sich eines der bedeutendsten Zentren der Verehrung der Aphrodite<ref>Vgl. Sappho Frg. 133 Bgk.&nbsp;– Pausanias (1,14,7) berichtet vom Primat der Paphier bei der Übernahme des phönizischen Urania-Kultes.</ref><ref name="Strabon 8,341" />, woher der Beiname ''Paphía'' ({{lang|grc|Παφία}} „die Paphische“) rührte. Touristischen Wert erhält diese Verbindung des Aphrodite-Kults mit Paphos heute, wenn die südlich von Kouklia gelegene [[Petra tou Romiou|Pétra tou Romioú]] ({{lang|el|Πέτρα του Ρωμιού}} „Römerfels, Griechenfels“) als Geburtsort der Aphrodite ausgegeben wird.<ref>Martina Seifert: ''Aphrodite – eine Liebesgöttin auf einer langen Reise.'' In: Dies.: ''Aphrodite. Herrin des Krieges, Göttin der Liebe.'' Philipp von Zabern Verlag, Mainz 2009, S. 14–26. Vgl. den Artikel der englischen Wikipedia zur [[:en:Petra tou Romiou|Petra tou Romiou]].</ref> Daneben war ein auf den Ruinen einer älteren Basilika errichteter [[Zypern#Kreuzritter, Genua und Venedig|mittelalterlicher]] Kirchenbau in [[Paphos|Neu-Paphos]], der heute nach der ''Agía Kyriakí Chrysopolítissa'' ({{lang|el|Αγία Κυριακή Χρυσοπολίτισσα}}) benannt ist, bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts der ''Panagía Afrodítissa'' ({{lang|el|Παναγία Αφροδίτισσα}}, sinngemäß „Allerheiligste Gottesmutter der Aphrodite“) geweiht; hier soll auch [[Paulus von Tarsus|Paulus]] gemeinsam mit dem [[Barnabas (Apostel)|heiligen Barnabas]] das Evangelium verkündet haben ([[Apostelgeschichte des Lukas]] 13,6–12).<ref>{{lang|el|Θανάσης Φωτιάδης|Thanásis Photiádis}}: ''{{lang|el|Γυναικοκρατία (μητριαρχία). Ελληνική συμβολή στην εθνολογία|de=Frauenherrschaft (Matriarchat). Griechischer Beitrag zur Ethnologie}}''. {{lang|el|Εκδόσεις Χατζηνικολή|Ekdóseis Chatzinikolí}}, Athen 1980, S. 94. Vgl. auch die {{Webarchiv|url=http://paphosanglicanchurch.org/our-churches/ayia-kyriaki/ |wayback=20170421192139 |text=Website }} der Anglican Church of Paphos.</ref>


Vorerst offen bleibt die Deutung des äußerst beliebten Beinamens ''Kythéreia'' ({{lang|grc|Κυθέρεια}}), der häufig vom Namen der Insel [[Kythera]] abgeleitet wurde, welche laut Hesiod ebenfalls als Geburtsstätte der Göttin gilt. Herodot zufolge soll der Kult in Kythera von [[Phönizier]]n dorthin eingeführt worden sein.<ref name="Herodot, 1,105,2f." /> Martin Litchfield West hat einen Zusammenhang mit dem [[ugarit]]ischen Schmiedegott [[Kothar]] vorgeschlagen, was auch mit dem Aphrodite-Gatten Hephaistos zusammenpasse.<ref>West: ''The east face of Helicon'', S. 56 f.</ref> Dagegen spricht nach anderen der lautliche Befund, der eine Ableitung aus der indogermanischen Wurzel von griechisch {{lang|grc|πόθος}} (''póthos'' „Verlangen“) ermögliche, so dass sich die Bedeutung „die mit dem Verlangen Befasste“ ergäbe.<ref>Gareth Morgan: ''Aphrodite Cytherea''. In: ''Transactions of the American Philological Association'', Band 108 (1978), S. 115–120.</ref>
Vorerst offen bleibt die Deutung des äußerst beliebten Beinamens ''Kythéreia'' ({{lang|grc|Κυθέρεια}}), der häufig vom Namen der Insel [[Kythira|Kythera]] abgeleitet wurde, welche laut Hesiod ebenfalls als Geburtsstätte der Göttin gilt. Herodot zufolge soll der Kult in Kythera von [[Phönizier]]n dorthin eingeführt worden sein.<ref name="Herodot, 1,105,2f." /> Martin Litchfield West hat einen Zusammenhang mit dem [[ugarit]]ischen Schmiedegott [[Koṯar-Ḫasis]] vorgeschlagen, was auch mit dem Aphrodite-Gatten Hephaistos zusammenpasse.<ref>M. L. West: ''The east face of Helicon.'' S. 56 f.</ref> Dagegen spricht nach anderen der lautliche Befund, der eine Ableitung aus der indogermanischen Wurzel von griechisch {{lang|grc|πόθος|póthos}} („Verlangen“) ermögliche, so dass sich die Bedeutung „die mit dem Verlangen Befasste“ ergäbe.<ref>Gareth Morgan: ''Aphrodite Cytherea.'' In: ''Transactions of the American Philological Association.'' Band 108, 1978, S. 115–120.</ref>


== Philosophie ==
== Philosophie ==
Der [[Vorsokratiker|vorsokratische]] Philosoph [[Empedokles]] hat sein Prinzip der [[Philotes|{{lang|grc|φιλότης}}]] (''philótēs'' „Freundschaft, Liebe“; daneben auch {{lang|grc|γηθοσύνη}}, [[Liste griechischer Phrasen/Sigma#Σ'αγαπώ.|{{lang|grc|στοργή}}]], [[Harmonia|{{lang|grc|ἁρμονία}}]]) anfangs als {{lang|grc|Ἀφροδίτη}} oder {{lang|grc|Κύπρις}} benannt; die Liebesgöttin hätte demnach vor der Herrschaft des {{lang|grc|πῦρ}} (''pyr'' „Feuer“) im {{lang|grc|ὄμβρος}} (''ómbros'' „Wasser, (göttlicher) Regenguss“) gewaltet.<ref>Empedokles 66ff.; 85; 368 (Stein). Vgl. Simplikios, ''De caelo'' 507e, ed. Brandis, zitiert nach {{RE|I,2|2729|2787|Aphrodite|[[Georg Ferdinand Dümmler]]|RE:Aphrodite}}.</ref>
Der [[Vorsokratiker|vorsokratische]] Philosoph [[Empedokles]] hat sein Prinzip der [[Philotes|{{lang|grc|φιλότης|philótēs}}]] („Freundschaft, Liebe“; daneben auch {{lang|grc|γηθοσύνη}}, [[Liste griechischer Phrasen/Sigma#Σ’ αγαπώ.|{{lang|grc|στοργή}}]], [[Harmonia|{{lang|grc|ἁρμονία}}]]) anfangs als {{lang|grc|Ἀφροδίτη}} oder {{lang|grc|Κύπρις}} benannt; die Liebesgöttin hätte demnach vor der Herrschaft des {{lang|grc|πῦρ|pyr}} („Feuer“) im {{lang|grc|ὄμβρος|ómbros}} („Wasser, (göttlicher) Regenguss“) gewaltet.<ref>Empedokles 66ff.; 85; 368 (Stein). Vgl. Simplikios, ''De caelo'' 507e, ed. Brandis, zitiert nach {{RE|I,2|2729|2787|Aphrodite|[[Georg Ferdinand Dümmler]]|RE:Aphrodite}}</ref>


In [[Platon]]s ''[[Symposion (Platon)|Symposion]]'' wird der Dualismus der Aphrodite Urania und Pandemos mit den beiden Geburtsmythen nach Hesiod (die himmlische, schaumgeborene Aphrodite) und Homer (die Tochter des Zeus und der Dione als die irdische Aphrodite) verknüpft.<ref>Platon, ''Symposion'' 180 D.</ref> Im 19.&nbsp;Jahrhundert sollte [[Karl Heinrich Ulrichs]] diese Unterscheidung in seinem Neologismus „Uranismus“ für die [[Homosexualität|gleichgeschlechtliche Liebe]] aufgreifen.<!-- Beleg hierzu steht aus: In der [[Pneuma]]lehre des [[Platon]] wird der Aphrodite eine der vier Formen des göttlichen Anhauchens „Epipnoia“ zugeordnet.<ref>[[Resch]], 239.</ref> -->
In [[Platon]]s ''[[Symposion (Platon)|Symposion]]'' wird der Dualismus der Aphrodite Urania und Pandemos mit den beiden Geburtsmythen nach Hesiod (die himmlische, schaumgeborene Aphrodite) und Homer (die Tochter des Zeus und der Dione als die irdische Aphrodite) verknüpft.<ref>Platon, ''Symposion'' 180 D</ref> Im 19. Jahrhundert sollte [[Karl Heinrich Ulrichs]] diese Unterscheidung in seinem Neologismus „Uranismus“ für die [[Homosexualität|gleichgeschlechtliche Liebe]] aufgreifen.<!-- Beleg hierzu steht aus: In der [[Pneuma]]lehre des [[Platon]] wird der Aphrodite eine der vier Formen des göttlichen Anhauchens „Epipnoia“ zugeordnet.<ref>[[Resch]], 239.</ref> -->


== Aphrodite und der Krieg in der neuzeitlichen Kunst ==
== Aphrodite und der Krieg in der neuzeitlichen Kunst ==
Zeile 165: Zeile 167:
* [[Sandro Botticelli]]: ''Venus und Mars'' (1483) und die ''[[Die Geburt der Venus (Botticelli)|Die Geburt der Venus]]'' (1485)
* [[Sandro Botticelli]]: ''Venus und Mars'' (1483) und die ''[[Die Geburt der Venus (Botticelli)|Die Geburt der Venus]]'' (1485)
* [[Piero di Cosimo]]: ''Venus, Mars und Amor'' (um 1500). Mars selbst scheint hier äußerlich der Venus angeähnelt, während seine Waffen zum Spielzeug in den Händen der Satyrkinder werden.
* [[Piero di Cosimo]]: ''Venus, Mars und Amor'' (um 1500). Mars selbst scheint hier äußerlich der Venus angeähnelt, während seine Waffen zum Spielzeug in den Händen der Satyrkinder werden.
* [[Peter Paul Rubens|Rubens]]: ''Die Schrecken des Krieges'' (1637/8), entstanden unter dem Eindruck des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]].
* [[Peter Paul Rubens]]: ''Die Schrecken des Krieges'' (1637/8), entstanden unter dem Eindruck des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]].
* [[Peter von Cornelius|Peter Cornelius]]: ''Aphrodite schützt Paris gegen [[Menelaos]]'' (1825/26)
* [[Peter von Cornelius]]: ''Aphrodite schützt Paris gegen [[Menelaos]]'' (1825/26)


<gallery class="center" mode="nolines" widths="250" heights="150">
<gallery class="center" mode="nolines" widths="250" heights="150">
Antalya Museum - Sarkophag 5b Aphrodite verbirgt Paris.jpg|Aphrodite deckt Paris gegen Menelaos, römischer Sarkophag, zweites Jahrhundert v. Chr. (Archäologisches Museum, [[Antalya]])
Antalya Museum - Sarkophag 5b Aphrodite verbirgt Paris.jpg|Aphrodite deckt Paris gegen Menelaos, römischer Sarkophag, zweites Jahrhundert v.&nbsp;Chr. (Archäologisches Museum, [[Antalya]])
Venus and Mars.jpg|Sandro Botticelli: ''Venus und Mars'', um 1483 ([[National Gallery (London)|National Gallery]], London)
Venus and Mars.jpg|Sandro Botticelli: ''Venus und Mars'', um 1483 ([[National Gallery (London)|National Gallery]], London)
Piero di Cosimo 058.jpg|Piero di Cosimo: ''[[Venus, Mars und Amor]]'', um 1500 ([[Gemäldegalerie (Berlin)|Gemäldegalerie]], Berlin)
Piero di Cosimo - Venus, Mars und Amor.jpeg|Piero di Cosimo: ''[[Venus, Mars und Amor]]'', um 1500 ([[Gemäldegalerie (Berlin)|Gemäldegalerie]], Berlin)
Cornelius INV58.jpg|Peter Cornelius: ''Aphrodite schützt Paris gegen Menelaos'', 1826 ([[Staatliche Museen zu Berlin]], [[Alte Nationalgalerie]])
Cornelius INV58.jpg|Peter Cornelius: ''Aphrodite schützt Paris gegen Menelaos'', 1826 ([[Staatliche Museen zu Berlin]], [[Alte Nationalgalerie]])
</gallery>
</gallery>
Zeile 180: Zeile 182:
* [[Anaphrodisie]], medizinisch Trieblosigkeit
* [[Anaphrodisie]], medizinisch Trieblosigkeit


== Siehe auch ==
== Weitere Darstellungen ==
* [[Aphrodite Kallipygos]]
* [[Aphrodite Kallipygos]]
* [[Aphrodite von Knidos]]
* [[Aphrodite von Knidos]]
* [[Cytheren-Quadrille]]
* [[Venus von Milo]]
* [[Venus von Milo]]

== Musikalische Verarbeitung ==
* [[Cytheren-Quadrille]], Quadrille von [[Johann Strauss (Sohn)|Johann Strauss Sohn]], 1844


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{Roscher|1,1|390|419|Aphrodite|Wilhelm Heinrich Roscher u.&nbsp;a.}}
* {{Roscher|1,1|390|419|Aphrodite|Wilhelm Heinrich Roscher u.&nbsp;a.}}
* {{RE|I,2|2729|2787|Aphrodite|[[Karl Tümpel]], [[Georg Ferdinand Dümmler]]|RE:Aphrodite}}
* {{RE|I,2|2729|2787|Aphrodite|[[Karl Tümpel]], [[Georg Ferdinand Dümmler]]|RE:Aphrodite}}
* {{LIMC|2|2|151|Aphrodite|Angelos Delivorrias|Fundstelle=in Zusammenarbeit mit Gratia Berger-Doer und Anneliese Kossatz-Deissmann ([https://archive.org/details/limc_20210516/Lexicon%20Iconographicum%20Mythologiae%20Classicae/LIMC%20II-1/page/n12/mode/1up Digitalisat])}}
* {{LIMC|2|2|151|Aphrodite|Angelos Delivorrias}}
* H. Alan Shapiro: ''Art and Cult under the Tyrants in Athens.'' Von Zabern, Mainz 1989, ISBN 3-8053-1038-2, S. 118–124.
* H. Alan Shapiro: ''Art and Cult under the Tyrants in Athens.'' Von Zabern, Mainz 1989, ISBN 3-8053-1038-2, S. 118–124.
* {{DNP|1|838|844|Aphrodite|Vinciane Pirenne-Delforge, Anne Ley}}
* {{DNP|1|838|844|Aphrodite|[[Vinciane Pirenne-Delforge]], Anne Ley}}
* Mario Leis (Hrsg.): ''Mythos Aphrodite. Texte von [[Hesiod]] bis [[Ernst Jandl]].'' Anthologie. Reclam, Leipzig 2000, ISBN 3-379-01693-4 ([http://lbib.de/Mythos-Aphrodite-Texte-von-Hesiod-bis-Ernst-Jandl-Mario-Leis-24599 Inhaltsverzeichnis]).
* Mario Leis (Hrsg.): ''Mythos Aphrodite. Texte von [[Hesiod]] bis [[Ernst Jandl]].'' Anthologie. Reclam, Leipzig 2000, ISBN 3-379-01693-4 ([http://lbib.de/Mythos-Aphrodite-Texte-von-Hesiod-bis-Ernst-Jandl-Mario-Leis-24599 Inhaltsverzeichnis]).
* {{DNP|Suppl. 5|97|114|Aphrodite|Bettina Full}}
* {{DNP|Suppl. 5|97|114|Aphrodite|Bettina Full}}
* [[Martina Seifert]] (Hrsg.): ''Aphrodite. Herrin des Krieges. Göttin der Liebe.'' von Zabern, Mainz 2009, ISBN 978-3-8053-3942-1.<ref>Vgl. Andrea Schütze: [http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-196 ''Rezension.'']{{Toter Link|date=2018-03 |archivebot=2018-03-30 07:41:43 InternetArchiveBot |url=http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-196 }} In: ''H/Soz/Kult.'' 15. März 2010.</ref>
* [[Martina Seifert]] (Hrsg.): ''Aphrodite. Herrin des Krieges. Göttin der Liebe.'' von Zabern, Mainz 2009, ISBN 978-3-8053-3942-1.<ref>Vgl. Andrea Schütze: [http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-196 ''Rezension.'']{{Toter Link|date=2018-03 |url=http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-196 }} In: ''H/Soz/Kult.'' 15. März 2010.</ref>
* [[Amy C. Smith]], Sadie Pickup (Hrsg.): ''Brill’s companion to Aphrodite.'' Brill, Leiden und Boston 2010, ISBN 978-90-04-18003-1.
* [[Amy C. Smith]], Sadie Pickup (Hrsg.): ''Brill’s companion to Aphrodite.'' Brill, Leiden und Boston 2010, ISBN 978-90-04-18003-1.
* Martin Eckert: ''Die Aphrodite der Seefahrer und ihre Heiligtümer am Mittelmeer. Archäologische Untersuchungen zu interkulturellen Kontaktzonen am Mittelmeer in der späten Bronzezeit und frühen Eisenzeit.'' Lit Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-643-13510-0.
* Martin Eckert: ''Die Aphrodite der Seefahrer und ihre Heiligtümer am Mittelmeer. Archäologische Untersuchungen zu interkulturellen Kontaktzonen am Mittelmeer in der späten Bronzezeit und frühen Eisenzeit.'' Lit Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-643-13510-0.
Zeile 200: Zeile 204:
== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat}}
{{Commonscat}}
{{Wiktionary}}
* {{DNB-Portal|118649809|TEXT=Informationen über}}
* {{DNB-Portal|118649809|TEXT=Informationen über}}
* {{DDB|Person|118649809|TEXT=Informationen über}}
* {{DDB|Person|118649809|TEXT=Informationen über}}
* {{Spk-digital|Aphrodite|TEXT=Informationen über}}
* {{Spk-digital|Aphrodite|TEXT=Informationen über}}
* {{Mythoskop|ID=w128}}
* [http://www.theoi.com/Olympios/Aphrodite.html Aphrodite] im Theoi Project (englisch)
* [http://www.theoi.com/Olympios/Aphrodite.html Aphrodite] im Theoi Project (englisch)
* H. D. Jünger: [http://www.interment.de/kairosundkaos/Essays/aphrodite.htm ''Aphrodites Childs''], interment.de
* H. D. Jünger: [http://www.interment.de/kairosundkaos/Essays/aphrodite.htm ''Aphrodites Childs''], interment.de
Zeile 212: Zeile 218:


{{Navigationsleiste Die zwölf olympischen Götter}}
{{Navigationsleiste Die zwölf olympischen Götter}}
{{Normdaten|TYP=p|GND=118649809|LCCN=no/2014/047558|VIAF=37709888}}
{{Normdaten|TYP=p|GND=118649809|LCCN=no2014047558|VIAF=37709888}}


[[Kategorie:Kult der Aphrodite|!Aphrodite]]
[[Kategorie:Kult der Aphrodite|!Aphrodite]]
Zeile 219: Zeile 225:
[[Kategorie:Liebesgottheit]]
[[Kategorie:Liebesgottheit]]
[[Kategorie:Aphrodite| ]]
[[Kategorie:Aphrodite| ]]
[[Kategorie:Gottheit als Namensgeber für einen Asteroiden]]
[[Kategorie:Griechische Gottheit als Namensgeber für einen Asteroiden]]

Aktuelle Version vom 3. Oktober 2024, 10:34 Uhr

Die Aphrodite von Melos, um 120 v. Chr. (heute im Louvre, Paris)

Aphrodite (altgriechisch Ἀφροδίτη Aphrodítē; klassische Aussprache: /apʰrodíːtɛː/; Koine: /aɸroðíti/; modern-philologische Aussprache: /afrodíːtɛː/) ist gemäß der griechischen Mythologie die Göttin der Liebe, der Schönheit und der sinnlichen Begierde und eine der kanonischen zwölf olympischen Gottheiten. Sie wurde insbesondere als Schutzherrin der Sexualität und Fortpflanzung verehrt, die sowohl den Fortbestand der Natur als auch die Kontinuität der menschlichen Gemeinschaften gewährleistete.[1] Ihr Pendant in der römischen Mythologie ist Venus.

Etymologie

Die Etymologie des Namens der Göttin wird ebenso wie die Herkunft ihres Kults bis heute kontrovers diskutiert. Seit der Antike wurde der erste Wortteil mit altgriechisch aphrós (ὁ ἀφρός „Schaum (des Meeres)“) zusammengebracht und durch das Attribut aphrogenḗs, aphrogéneia (ἀφρογενής, ἀφρογένεια „die Schaumgeborene“) kommentiert,[2] wobei allerdings die Etymologie des zweiten Wortteils weitgehend dunkel blieb. Seit dem späten 19. Jahrhundert haben daher Indogermanisten[3] und Gräzisten[4][5] eine griechische Herleitungsmöglichkeit für den Götternamen bezweifelt und stattdessen eine orientalische Herkunft vermutet. Allerdings lehnte Martin Litchfield West die von Fritz Hommel vorgeschlagene direkte Ableitung aus dem semitischen Theonym ʿAštart[6] (von dem griechisch Ἀστάρτα, Ἀστάρτη herrühren) ab und setzte an deren Stelle eine – nach eigenem Bekenntnis rein spekulative – Ableitung von einem unbelegten ʿAštart-Epitheton *prāzît „die von den Dörfern“, das in zyprisch-kanaanitischem Dialekt *[ʿaproðiːt] ausgesprochen worden wäre.

Fresko der Aphrodite als Anadyomene, vielleicht nach einem Bildnis des Apelles, Pompeji

Im Jahr 1911 hat Ernst Maaß eine Etymologie vorgelegt, die den Namen neben aphrós auf eine Ableitung des Verbs déatο (δέατο „schien, hatte den Anschein“, rekonstruierter Infinitiv *δέασθαι; vgl. δῆλος „offenbar, deutlich“) zurückführt.[7] Der Name der Göttin würde demnach „die im Schaum (des Meeres) Aufstrahlende“ bedeuten. Dieser Deutung hat sich auch Michael Janda angeschlossen.[8] Darüber hinaus sieht Janda, der daneben eine sekundäre Beeinflussung der mythologischen Vorstellungen um die griechische Aphrodite durch die phönizische ʿAštart für möglich hält, Aphrodite in Übereinstimmung mit Deborah Boedeker[9] und George E. Dunkel[10] als griechische Entsprechung der indischen Göttin der Morgenröte Uṣas, mit der sie neben mehreren Epitheta – darunter das einer „Tochter des Himmels“ (indogermanisch *diṷós dhugh2tēr[r] > griechisch Διός θυγάτηρ Diós thygátēr „Zeustochter“)[11] und das der „gern (oder hold) lächelnden“ (griechisch φιλομμειδής philommeidḗs)[12] – auch das verführerische Auftreten teile.

Daneben lässt sich der Mythos der dem Meeresschaum entsteigenden Aphrodite, der sich mit weiteren Epitheta der Göttin wie Euploía (Εὐπλοία „die gute Seefahrt verleiht“) und Pontía (Ποντία „die vom Meer“) verbindet, an das Bild der allmorgendlich aus dem Okeanos aufsteigenden Eos[13] (der auch phonetischen Entsprechung der vedischen Uṣas) anschließen. Dunkel hat daran erinnert, dass neue Götter häufig durch die Verselbständigung älterer Epitheta hervorgegangen sind.[10] Demnach wären die griechischen Göttinnen Eos und Aphrodite aus der Aufspaltung einer ursprünglichen indogermanischen Göttin der Morgenröte (*H2ausōs) hervorgegangen, von der auch die vedische Uṣas abstammt.[14][15] Auch die Verknüpfung Aphrodites mit der im Osten der griechischen Welt gelegenen Insel Zypern ließe sich durch diese auf die Göttin der Morgenröte verweisende Genealogie erklären.[16]

Mythos

Geburt

Darstellung der Aphrodite Anadyomene auf dem Ludovisischen Thron, vermutlich um 460 v. Chr. (Museo Nazionale Romano)

Nach Hesiod ist sie die Tochter des Uranos. Dessen Sohn Kronos schnitt ihm, auf Rat seiner Mutter Gaia, die Geschlechtsorgane mit einem Sichelhieb ab und „warf diese hinter sich“ ins Meer. Das Blut und der Samen vermischten sich mit dem Meer, welches ringsum aufschäumte und daraus Aphrodite gebar, die nach Hesiod zunächst auf Kythera, dann an der Küste von Zypern an Land ging.[17] Dort schmückten laut den Homerischen Hymnen die Horen sie, bevor sie den Unsterblichen vorgestellt wurde.[18] Nach Pausanias[19] und Nonnos von Panopolis war es die Göttin Thalassa (Θάλασσα „die See“), welche den Samen empfing. Nachdem sie im Olymp aufgenommen war, wurde sie Adoptivtochter des Zeus.

Daneben bestehen noch weitere Mythen über die Abstammung der Göttin, so ist sie bei Homer die Tochter des Zeus[20] und der Dione,[21] Tochter des Zeus auch in den Homerischen Hymnen.[22] Eine weitere, freilich späte Quelle nennt sie gemeinsam mit den Erinnyen und den Moiren als Tochter des Kronos.[23] Hyginus Mythographus adaptiert den Geburtsmythos der syrischen Semiramis und schreibt, sie sei aus einem Ei geschlüpft, welches von Fischen an Land gerollt und von Tauben ausgebrütet worden war.[24]

Sandro Botticelli: Die Geburt der Venus, 1485 (Uffizien, Florenz)

Tätigkeit und Charakter

Die sogenannte Aphrodite von Fréjus, römische Kopie nach einem Original aus dem späten fünften Jahrhundert v. Chr., vielleicht von Kallimachos (Louvre)

Bei Homer erscheint sie als Beschützerin der geschlechtlichen Liebe (so namentlich bei der Verführung der Helena durch Paris), daneben als Verkörperung der Schönheit[25] und folglich Siegerin im Schönheitswettstreit mit Hera und Athena vor Paris, daneben aber auch als Advokatin der Ehe.[26] Zum Zorn gereizt, kann sie ihre Gaben allerdings auch ebenso schnell wieder entziehen.[27] Ihre bevorzugten Attribute bei Homer sind „die Goldene“ (χρυσείη)[28] sowie die schon genannten Diós thygátēr (Διός θυγάτηρ „Zeustochter“)[11] und das allein ihr vorbehaltene[8] philommeidḗs (φιλομμειδής „hold Lächelnde“).[12]

Ihren unwiderstehlichen Liebreiz verdankt sie einem zauberkräftigen Gürtel, dem kestòs himàs poikílos (κεστὸς ἱμὰς ποικίλος „buntbestickter Gürtel“), den sie auf Bitten gelegentlich ausleiht, so auch an die Göttermutter Hera.[29] Ihr Mann, der Schmiedegott Hephaistos, hatte ihn ihr aus Gold und Edelsteinen gefertigt. Den Charakter einer allgemeinen Fruchtbarkeitsgöttin beschreibt plastisch der fünfte der Homerischen Hymnen (5,1–6):

Μοῦσά μοι ἔννεπε ἔργα πολυχρύσου Ἀφροδίτης,
Κύπριδος, ἥ τε θεοῖσιν ἐπὶ γλυκὺν ἵμερον ὦρσε
καί τ’ ἐδαμάσσατο φῦλα καταθνητῶν ἀνθρώπων
οἰωνούς τε διιπετέας καὶ θηρία πάντα,
ἠμὲν ὅσ’ ἤπειρος πολλὰ τρέφει ἠδ’ ὅσα πόντος·
πᾶσιν δ’ ἔργα μέμηλεν ἐυστεφάνου Κυθερείης.

Muse, sage mir die Werke der goldenen Aphrodite,
Herrin auf Kypros; süßes Verlangen weckt sie den Göttern,
überwältigt der sterblichen Menschen Geschlechter,
die Vögel hoch in den Lüften, die Scharen der Tiere, aller zusammen,
mag sie das Festland, mag sie das Weltmeer zahllos ernähren:
jedes buhlt um die Gnaden der schön bekränzten Kytherea.[30]

Gefolge

Zu ihrem Gefolge gehören Eros, Himeros (Ἵμερος „Verlangen“)[31] und Peitho (Πειθώ, die vergöttlichte „Überredungskunst“[32]), sowie die Chariten (Χάριτες). Diese haben der Göttin laut der Ilias einen (leider kaum schützenden) „ambrosischen Peplos“ gewebt.[33] In der Odyssee tanzt Aphrodite gar selbst im „sehnsuchtsvollen Tanz der Chariten“ (Χαρίτων χορὸν ἱμερόεντα) mit.[34] An diese Gemeinschaft erinnert auch der Kult der Aphrodite Akidalia in Orchomenos, wo sie gemäß dem Mythos gemeinsam mit den Chariten in einer Quelle badet.[35]

Liebschaften

Aphrodite und Adonis auf einer attisch-rotfigurigen Lekythos, spätes fünftes Jahrhundert v. Chr. (Louvre)

Verheiratet ist Aphrodite mit Hephaistos,[36] dem Gott des Feuers und der Schmiedekunst, den sie allerdings mit Sterblichen und Unsterblichen betrügt. Notorisch ist ihre lange Beziehung zum Kriegsgott Ares, aus der Eros, Harmonia, Phobos, Deimos und Anteros entstanden – wie es auch Demodokos bei den Phaiaken in seinem burlesken Lied besingt.[37] Laut Homer wurden die beiden mitten im Akt von Hephaistos in flagranti entdeckt und in einem Netz gefangen. Als der Schmiedegott sie so den anderen Göttern präsentierte, erhob sich unter diesen das sprichwörtliche homerische Gelächter.

Aus Aphrodites Liebschaft mit dem Trojaner Anchises ging Aeneas (griech. Aineias) hervor,[38] Held im Trojanischen Krieg, der dann zu den mythischen Stammvätern der Römer gehören sollte und aus dessen Sohn angeblich das Geschlecht der Julier, zu dem auch Gaius Iulius Caesar gehörte, entsprang. Außerdem gebar sie dem Dionysos den Priapos[39] und dem Hermes den Hermaphroditos.[40]

Ferner hat sie den schönen Adonis zum Geliebten.[41] Sie verbirgt ihn (als Samen) in einem Kasten und gibt ihn der in der Unterwelt – dem Schoß der Erde – thronenden Persephone; diese will ihn für immer behalten. Erst auf den Schiedsspruch des Zeus gibt sie ihn für zwei Drittel des Jahres der Aphrodite zurück. Bei der Jagd wird Adonis vom eifersüchtigen Ares in Gestalt eines Keilers getötet.

Das Urteil des Paris

Das Urteil des Paris auf einem Mauerfragment aus Pompeji (Archäologisches Nationalmuseum Neapel)

Der Sage nach soll Aphrodite den Trojanischen Krieg ausgelöst haben, als sie mit Hera und Athene den trojanischen Königssohn Paris um das Urteil ersucht habe, welche von ihnen die Schönste sei. Dabei versuchte jede Göttin, ihn zu bestechen, und der Trojaner entschied sich für Aphrodite, da sie ihm die schönste Frau der Welt versprochen hatte. Dieses Ereignis ist als Urteil des Paris bekannt und gilt durch den resultierenden Raub der Helena als mythologischer Auslöser des Zuges der Griechen gegen Troja.[42] Während der zehnjährigen Belagerung unterstützte sie, gemeinsam mit Ares, Troja nach Kräften, doch standen Hera und Athene auf der Seite der Griechen.

Kult

Herkunft des Kultes

Aphrodite von Knidos, römische Kopie nach einem Original des Praxiteles aus dem vierten Jahrhundert v. Chr. (Museo Nazionale Romano)

Antike Schriftsteller wie Herodot[43] und Pausanias[44] sahen den Ursprung des Kults der Aphrodite Urania in Phönizien bzw. dem Alten Orient. Als mögliche Ursprungsorte des Kults wurden dabei Assyrien und das phönizische Askalon, als frühe Manifestationsorte in der griechischen Welt Paphos auf Zypern und die ionische Insel Kythera hervorgehoben. Dagegen ging Georg Ferdinand Dümmler in seinem Artikel für Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, gestützt auf die Untersuchung der Kultstätten, von einem thessalischen Ursprung des nach ihm zunächst pelasgischen Aphrodite-Kults aus.[45]

In neuerer Zeit hat der Gräzist Walter Burkert auf zahlreiche Parallelen zwischen Aphrodite, der mesopotamischen Ištar und der syrischen ʿAštart hingewiesen. Die androgynen Züge des Aphrodite-Kults führte er auf männliche oder vermännlichte Varianten ihrer nahöstlichen Entsprechungen zurück (vgl. Aphroditos, Hermaphroditos, ʿAthtar); so erschien namentlich Ištar als bärtige Kriegsgöttin. Demgegenüber haben Gabriella Pironti und Stephanie L. Budin auf die Seltenheit der Kulte einer bewaffneten Aphrodite sowie auf die Möglichkeit hingewiesen, diese kriegerischen Züge aus dem universalen Charakter der Liebesgöttin oder auch durch Assoziation mit dem Kriegsgott Ares zu erklären.[46] Den Beinamen der Urania sah Burkert in dem der „Himmelskönigin“ ʿAštart vorgebildet. Weitere Gemeinsamkeiten der Kulte von Aphrodite und ʿAštart erkannte Burkert in der Opferung von Tauben und der Darbringung von Weihrauch, in der Verbindung mit der See sowie dem Gartenbau und in der Existenz unbekleideter Kultbilder.[4] Der Annahme eines schlichtweg orientalischen Ursprungs der Göttin stehe allerdings das Alter des monumentalen Aphrodite-Tempels im zyprischen Paphos entgegen, der auf die Anfänge der mykenischen Besiedlung im zwölften Jahrhundert v. Chr. zurückgeht. Die phönizische Kolonisierung Zyperns, in deren Zuge auch ein Astarte-Heiligtum in Kition entstand, wird dagegen erst ins neunte Jahrhundert datiert.

Dem Bade entstiegene Venus des Medici-Typs (Sanssouci, Potsdam)

Als Indiz eines orientalischen Einflusses wurde häufig die Tempelprostitution angesehen.[4] Herodot berichtet von einem Brauch der Babylonier, den er zwar selbst als deren „hässlichsten“ bezeichnet, der sich so ähnlich aber auch „hier und da“ in Zypern finde: Jede Frau müsse sich einmal im Leben im Tempel der assyrischen Liebesgöttin Mylitta einem Freier für Geld hingeben, wobei freilich die Hübschen und Stattlichen schneller fertig wurden als die Hässlichen.[47] An einen zu seiner Zeit stark zurückgegangenen oder gar versiegten Tempeldienst geweihter Hierodulen erinnert Strabon für den sizilischen Berg Eryx und in Korinth.[48] Aus Korinth ist ein frühes Graffito des Astarte-Namens überliefert, das eine Rezeption der orientalischen Kultbräuche wahrscheinlich macht.[49] Skeptisch gegenüber einer institutionalisierten „sakralen Prostitution“ in der griechischen Welt bleibt Vinciane Pirenne-Delforge.[1]

Die indogermanistisch fundierte Mythenforschung hat anhand sprachlicher Elemente, die übereinstimmend in den indischen Veden und der epischen Literatur des antiken Griechenlands sowie fallweise anderer indogermanischer Sprachen zu finden sind, einige aus der indogermanischen Religion ererbte Elemente des Aphrodite-Mythos aufgewiesen und so für eine Herkunft der mythologischen Figur von der indogermanischen Göttin der Morgenröte votiert. Hervorgehoben wurden dabei insbesondere das Bildmotiv der Schaumgeburt und das Aufsteigen der Göttin aus den Meeresfluten, welche auf den Sonnenaufgang verweisen und darüber hinaus ein einflussreiches Bildmotiv der antiken (und modernen) Kunstgeschichte darstellen.[8]

Aphrodite auf einem Schwan, rotfiguriges Tondo des Pistoxenos-Malers auf einer weiß grundierten attischen Kylix, um 460 v. Chr. (British Museum, London)

Symbole und Attribute

Die Göttin wird oft in Verbindung mit Tieren wie der Taube, der Schwalbe, dem Schwan und dem Sperling gebracht, aber auch der Bock, die Schildkröte (auf ihr ruhte der Fuß des gold-elfenbeinernen Standbildes der Aphrodite Urania in Elis von der Hand des Phidias), der Delphin und der Hase können ihr Symbol sein. Ihr Symbole sind außerdem der Spiegel und der Gürtel der Venus.

Insbesondere ist sie die Göttin der Blumen,[51] Bäume und Früchte, unter denen ihr Anemone, Rose, Zypresse, Linde, Myrte und Apfel heilig sind. Neben Tempeln besaß sie daher auch heilige Haine. Häufig wurde sie mit dem im Urteil des Paris gewonnenen Apfel in der Hand dargestellt. Auch durch Dost, Granatapfel und Mohnblüte wird sie repräsentiert. Zu ihren Kranzblumen gehörte auch der spitzblättrige Spargel (Asparagus acutifolius). Viele Pflanzen, die psychoaktiv oder erotisierend wirken (Aphrodisiaka), intensiv duften oder deren Form Symbolcharakter hat, wurden mit Aphrodite in Zusammenhang gebracht und zu ihren Festen verwendet.

Beinamen und Epiklesen

Kopf einer Aphroditestatue des kapitolinischen Typs, römische Kopie aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. (Louvre)

Aphrodite besaß zahlreiche Beinamen, die zum einen Aspekte ihrer Verehrung reflektieren. In anderen Epiklesen finden sich Art und Namen ihrer Kultstätten und Heiligtümer wieder.

Aphrodite Urania und Pandemos

Aphrodite von Knidos, Kopf einer Statue nach einem praxitelischen Original, um 150 v. Chr. (Louvre)
Achat-Onyx-Kamee der Aphrodite epitragía, um 100 v. Chr. (Archäologisches Nationalmuseum Neapel)

Nach Herodot war es speziell der Kult der Aphrodite Urania (Οὐρανία „die Himmlische“), der aus dem syrischen Askalon nach Zypern gelangt war.[43] Nach Pausanias wurde der Kult der Urania zunächst im zyprischen Paphos angesiedelt.[52] Durch Kultepiklesen ist der Beiname für Attika, Korinth (als Πειθώ Οὐρανία Peithṓ Ouranía[53]) und das chersonesische Pantikapaion (Οὐρανία Ἀπατούρη Βοσπόρου μέδουσα Ouranía Apatoúrē Bospórou médousa) belegt. In Athen existierte „in den Gärten“ (ἐν κήποις), die wohl am Ilisos lagen, ein Tempel der Aphrodite Urania, die dort auf einem hermenartigen Idol als „älteste der Moiren“ bezeichnet wurde. Daneben gab es am selben Ort auch ein bedeutendes Standbild der Göttin von der Hand des Alkamenes.[54] Pausanias berichtet von einem jährlichen Festbrauch, in dem jungfräuliche Priesterinnen, die sogenannten Arrephoren, vom Tempel der Athene Polias mit unbekannter Fracht zum Heiligtum der Aphrodite „in den Gärten“ geschickt wurden, welches sie u. a. durch einen unterirdischen Gang erreichten, um dort wiederum verdeckte Gegenpost zu erhalten; im Anschluss an dieses Festritual, die Arrephoria, wurden die Priesterinnen aus dem Tempeldienst entlassen.[55] Ein zweiter athenischer Tempel der Urania fand sich in der Nähe des Kerameikos und der Stoa Basileios mit einem Standbild des Phidias.[56] In Piräus stand ein Tempel der Aphrodite Syría Uranía (Συρία Οὐρανία „die Himmlische aus Syrien“).

Der Beiname der Pándemos (Πάνδημος „die bei jeglichem Volk“, von ὁ δῆμος ho dḗmos „Volk, Gemeinde“) wurde mit der politischen Organisation verschiedener Gemeinwesen verknüpft (vgl. Demos).[57] Aphrodite fungierte dabei als Gottheit der „staatsbürgerlichen Eintracht und Harmonie“.[1] Die attische Pandemos hieß daneben auch epitragía (ἐπιτραγία „die auf dem Bocke“), angeblich weil sich bei der Abfahrt des Theseus nach Kreta die Opferziege in einen Bock verwandelt habe. Bocksopfer waren überregional charakteristisch für Aphrodite. Als Polisgöttin diente Aphrodite darüber hinaus vermutlich im epirotischen Kassope und im thessalischen Metropolis.[1] Gelegentlich traten die beiden Epiklesen auch nebeneinander auf. So rühmte sich das boiotische Theben dreier archaischer Holzbilder der Aphrodite Urania, Pandemos und Apostrophía (Ἀποστροφία „Abwenderin“), die durch Harmonia gestiftet und aus den Bugfiguren der Schiffe des Kadmos erstellt worden seien.[58]

Florentiner Statue der Aphrodite, fotografiert von Giorgio Sommer
Statue der sogenannten Aphrodite Kallipygos, gefunden in Rom (heute im Archäologischen National­museum Neapel)

Aphrodite als Meeresgöttin, Argynnis

Bedeutend waren zudem verschiedene Beinamen, die auf die Sphäre des Meeres und der Schifffahrt Bezug nahmen: Pelagía (Πελαγία, vgl. die heilige Pelagia), Pontía (Ποντία), Thalassía (Θαλασσία „die vom Meer“), Eúploia (Εὔπλοια „die gute Seefahrt verleiht“, so auf Knidos[59]) oder auch Limenía (Λιμενία „die vom sicheren Hafen“[60]) hieß Aphrodite als Schaumgeborene und Nothelferin der Seefahrer.[61][8][62] Als einer der bemerkenswertesten Tempel der Aphrodite Pontia und Limenia wird der von Hermione in der Argolis erwähnt, wo man über ein eindrucksvolles Marmorstandbild verfügte.[60] Nicht zuletzt war Thalassa („die See“) die ‚Mutter‘ der Liebesgöttin nach einem der Geburtsberichte; sie selbst wurde häufig mit Poseidon zusammen verehrt, so namentlich in der Argolis und Arkadien, in Korinth, Orchomenos und Patrai.[45]

Als Argynnís (Ἀργυννίς, auch Argounís, Ἀργουνίς)[63] wurde Aphrodite in Boiotien verehrt. Hier soll Agamemnon den jungen Argynnos im Kephisos schwimmen gesehen und sich in ihn verliebt haben, so dass er die in Elis versammelten Griechen vergaß. Dem ertrunkenen Argynnos weihte er ein Aphrodite-Heiligtum, das Argynnion. Friedrich Max Müller[14] und jüngst Michael Janda[64] haben den Beinamen mit einem Epitheton der vedischen Uṣas (árjunī- „hellglänzend“) verknüpft und darin eine Bestätigung der Verwandtschaft der beiden Göttinnen gesehen.[15]

Aphrodite als Eheschließerin

Als Nymphía (Νυμφία „die Bräutliche“) wurde Aphrodite in Hermione verehrt. Hier opferten Jungfrauen vor der Eheschließung ebenso wie Witwen, die sich wieder verheiraten wollten.[65] Ähnlich mutet der Kult der Aphrodite Hera in Sparta an, bei deren hölzernem Bild Mütter opferten, wenn ihre Töchter heirateten.[66][1]

Die kriegerische Aphrodite

Der Beiname Areía (Ἀρεία), unter dem Aphrodite in Sparta mit einem der ältesten griechischen Holzbilder verehrt wurde,[67] ist wohl als „die zum Ares Gehörige“ zu verstehen; der byzantinische Scholiast Tzetzes verband den Namen gleichwohl eher mit Harmonia als mit Aphrodites Gemahl Ares.[68] In Delphi verehrte man Aphrodite unter dem Beinamen árma (ἄρμα), was als eine Umschreibung des Liebesaspekts der Göttin gilt.[45] Eindeutig auf eine waffentragende Liebesgöttin deuten dagegen Epiklesen wie jene der ebenfalls in Sparta belegten enóplios (ἐνόπλιος „die Gerüstete“) hin. Pausanias berichtet von einem Heiligtum in Akrokorinth, in dem sie in Waffen gemeinsam mit Helios und dem bogenbewehrten Eros verehrt wurde.[69] In Sparta wurde die enóplios hingegen zusammen mit den Moiren und der Artemis verehrt. Laut Stephanie L. Budin sind die meisten Kulte einer waffentragenden Aphrodite (mit Ausnahme des spartanischen) erst aus hellenistischer (so in Süditalien) oder römischer Zeit (Korinth) belegt; denkbar sei daher auch die Beeinflussung durch die römische Venus Victrix.[70] Gabriella Pironti hat auf die vielfältigen Anknüpfungspunkte verwiesen, die sich im Mythos (Geburt aus einer Bluttat, Heirat mit dem Kriegsgott Ares) und Kult der Aphrodite für die Entfaltung eines kriegerischen Aspektes böten: Aphrodite Pandemos als Polis-Göttin hätte naturgemäß einen Einfluss auf Sieg und Niederlage ihres Demos.[71]

Aphrodite die Dunkle, Aphroditos, Hermaphroditos

Melainís oder Mélaina (Μελαινίς, Μέλαινα „die Schwarze“) hieß Aphrodite in Korinth,[72] in Thespiai[73] und Mantinea, wo die Göttin gemeinsam mit dem Dionysos verehrt wurde. Pausanias bezieht den Namen auf die Schwärze der Nacht, da beim Menschen die Begattungen nicht wie bei den Tieren am Tage geschehen, sondern in der Nacht.[74] Neuerdings wurde die Epiklese als Ausdruck eines chthonischen Aspekts der Liebesgöttin gedeutet, die über die „schwarze Erde“ herrsche.[1] Zu vergleichen ist vielleicht der aus Phaistos belegte Beiname der Skotía (Σκοτία „die Dunkle“). Eine Aphrodite epitymbidía (ἐπιτυμβιδία „die von den Gräbern“) wurde in Delphi mit Trankopfern verehrt und sollte zur Psychomantie verhelfen.[75] Auf einen noch dunkleren Aspekt – den der Rache nehmenden Göttin – nehmen Epiklesen wie androphónos (ἀνδροφόνος „die Männermordende“)[76] und anosía (ἀνοσία „die Unheilige“)[77] Bezug.

Die Varianten Aphroditos (Ἀφρόδιτος) und Hermaphroditos (Ἑρμαφρόδιτος) bezeichneten vermännlichte Formen der Aphrodite mit maskuliner, manchmal bärtiger Gestalt wie in Amathous auf Zypern.[78]

Lokale Kulte

Akraía (Ἀκραία „die von den Gipfeln“; vgl. Aphrodite Akraia) ist wie bei anderen Göttern so auch in Aphrodites Fall verbunden mit Bergheiligtümern, die in Knidos[59], Troizen,[79] auf Zypern[80] und in Argos[81] belegt sind. Eventuell hingen diese Bergheiligtümer mit dem uranischen Aspekt der Gottheit zusammen.

Akidalía (Ἀκιδαλία, Acidalia mater) als Beiname der Aphrodite verbindet sich mit der boiotischen Akidalia-Quelle, an der sie als Gattin des Dionysos und Mutter der (in dem Quell badenden) Chariten verehrt wurde.[35] In Dodona wurde vor allem Zeus mit seiner ersten Gattin Dione – nach Homer die Mutter der Aphrodite – verehrt. Der Vergil-Kommentator Maurus Servius Honoratus spricht allerdings kurzerhand von einem Zeus und der Aphrodite geweihten Tempel („ubi Iovi et Veneri templum a veteribus fuerat consecratum“).[82] Herodot berichtet von der Gründung des Orakels durch eine im ägyptischen Theben freigelassene Taube, die der Historiker selbst als von dort entsandte Priesterin dechiffriert.[83]

Erykíne (Ἐρυκίνη, lateinisch Erycina) hieß die Göttin nach einem Heiligtum am Berg Eryx auf Sizilien, dessen Name seinerseits auf den eines Aphrodite-Sohns Eryx zurückgeführt wird. Idalia war ein nur selten bei den Römern gebrauchter Beiname nach der Stadt Idalion auf Zypern, wo es Temenos und Tempel der Aphrodite gab.

Kýpris, Kypría, Kyprogenḗs oder Kyprogéneia (Κύπρις, Κυπρία, Κυπρογενής, Κυπρογένεια „Kyprosgeborene“; lat. Cypria) leitet sich von der Insel Zypern ab, vor deren Küsten sie nach einem ihrer Geburtsmythen zur Welt kam.[84] Nach Pindar ist Aphrodite Herrin über Kypros.[85] Strabon bringt zwei Zitate nach Alkman und Aischylos (oder Archilochos?), die jeweils Kypros und Paphos (als totum und pars) zum Reich der Aphrodite erklären.[86] In Palaia Paphos (Alt-Paphos) am Ortsrand der heutigen Ortschaft Kouklia auf Zypern befand sich eines der bedeutendsten Zentren der Verehrung der Aphrodite[87][86], woher der Beiname Paphía (Παφία „die Paphische“) rührte. Touristischen Wert erhält diese Verbindung des Aphrodite-Kults mit Paphos heute, wenn die südlich von Kouklia gelegene Pétra tou Romioú (Πέτρα του Ρωμιού „Römerfels, Griechenfels“) als Geburtsort der Aphrodite ausgegeben wird.[88] Daneben war ein auf den Ruinen einer älteren Basilika errichteter mittelalterlicher Kirchenbau in Neu-Paphos, der heute nach der Agía Kyriakí Chrysopolítissa (Αγία Κυριακή Χρυσοπολίτισσα) benannt ist, bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Panagía Afrodítissa (Παναγία Αφροδίτισσα, sinngemäß „Allerheiligste Gottesmutter der Aphrodite“) geweiht; hier soll auch Paulus gemeinsam mit dem heiligen Barnabas das Evangelium verkündet haben (Apostelgeschichte des Lukas 13,6–12).[89]

Vorerst offen bleibt die Deutung des äußerst beliebten Beinamens Kythéreia (Κυθέρεια), der häufig vom Namen der Insel Kythera abgeleitet wurde, welche laut Hesiod ebenfalls als Geburtsstätte der Göttin gilt. Herodot zufolge soll der Kult in Kythera von Phöniziern dorthin eingeführt worden sein.[43] Martin Litchfield West hat einen Zusammenhang mit dem ugaritischen Schmiedegott Koṯar-Ḫasis vorgeschlagen, was auch mit dem Aphrodite-Gatten Hephaistos zusammenpasse.[90] Dagegen spricht nach anderen der lautliche Befund, der eine Ableitung aus der indogermanischen Wurzel von griechisch πόθος póthos („Verlangen“) ermögliche, so dass sich die Bedeutung „die mit dem Verlangen Befasste“ ergäbe.[91]

Philosophie

Der vorsokratische Philosoph Empedokles hat sein Prinzip der φιλότης philótēs („Freundschaft, Liebe“; daneben auch γηθοσύνη, στοργή, ἁρμονία) anfangs als Ἀφροδίτη oder Κύπρις benannt; die Liebesgöttin hätte demnach vor der Herrschaft des πῦρ pyr („Feuer“) im ὄμβρος ómbros („Wasser, (göttlicher) Regenguss“) gewaltet.[92]

In Platons Symposion wird der Dualismus der Aphrodite Urania und Pandemos mit den beiden Geburtsmythen nach Hesiod (die himmlische, schaumgeborene Aphrodite) und Homer (die Tochter des Zeus und der Dione als die irdische Aphrodite) verknüpft.[93] Im 19. Jahrhundert sollte Karl Heinrich Ulrichs diese Unterscheidung in seinem Neologismus „Uranismus“ für die gleichgeschlechtliche Liebe aufgreifen.

Aphrodite und der Krieg in der neuzeitlichen Kunst

Zahlreiche Maler wurden durch die widersprüchliche Verbindung von Liebe und Krieg, die das Paar Aphrodite und Ares vereint, zu Werken inspiriert.

Begriffsableitungen

Weitere Darstellungen

Musikalische Verarbeitung

Literatur

Commons: Aphrodite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Aphrodite – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Vinciane Pirenne-Delforge: Artikel Aphrodite. In: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hrsg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 1, Metzler, Stuttgart und Weimar 1996, Sp. 838–844.
  2. Hesiod, Theogonie 196
  3. Hjalmar Frisk: Griechisches etymologisches Wörterbuch. Band 1, Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1960, S. 196 f. (Digitalisat), hielt die Herkunft von semitisch Aštoret (eine Form, die West ganz verwerfen wird) oder Astarte durch „volksetymologische Angleichung“ für „möglich“, ohne aber eine genaue Herleitung zu geben; Robert S. P. Beekes: Etymological Dictionary of Greek. Band 1, Brill, Leiden und Boston 2010, S. 179.
  4. a b c Walter Burkert: Greek Religion. Übersetzung von John Raffan. Harvard University Press, Cambridge (Mass.) 1985, S. 152 ff. (deutsch: Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche. Stuttgart 1977); ders.: Die Griechen und der Orient. Von Homer bis zu den Magiern. C. H. Beck, München 2003, S. 38, 47 ff.
  5. Martin Litchfield West: The Name of Aphrodite. In: Glotta. Zeitschrift für griechische und lateinische Sprache. Band 76, Heft 1–2, 2000, S. 134–138.
  6. Fritz Hommel: Aphrodite–Astarte. In: Neue Jahrbücher für Philologie und Paedagogik. Band 125, 1882, S. 176.
  7. Ernst Maaß: Aphrodite und die heilige Pelagia. In: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur. Band 27, 1911, S. 457–468; Vittore Pisani: Akmon e Dieus. In: Archivio glottologico italiano. Band 24, 1930, S. 65–73.
  8. a b c d Michael Janda: Eleusis. Das indogermanische Erbe der Mysterien. Institut für Sprachwissenschaft der Universität Innsbruck, Innsbruck 2000, S. 154 ff.; ders.: Elysion. Entstehung und Entwicklung der griechischen Religion. Institut für Sprachen und Literaturen der Universität Innsbruck, Innsbruck 2005, S. 349–360.
  9. Deborah Boedeker: Aphrodite’s Entry into Greek Epic. Leiden und Ann Arbor (UMI) 1974, S. 15 f.
  10. a b George E. Dunkel: Vater Himmels Gattin. In: Die Sprache. Zeitschrift für Sprachwissenschaft. Band 34, 1, 1988–1990, S. 1–26.
  11. a b Homer, Ilias 3,374; 5,131
  12. a b Homer, Ilias 14,211
  13. Vgl. Homer, Odyssee 12,1–4
  14. a b Friedrich Max Müller: Lectures on the Science of Language, delivered at the Royal Institution of Great Britain in February, March, April & May, 1863. Second series. Longman, Green, Longman, Roberts & Green, London 1864, S. 373.
  15. a b Daniel Kölligan: Aphrodite of the dawn: Indo-European heritage in Greek divine epithets and theonyms. In: Letras clássicas. Nr. 11, 2007, S. 105–134 (Digitalisat).
  16. Vgl. die Überlegungen zu Aphrodite als „zugleich […] Griechin und Fremde“ bei Vinciane Pirenne-Delforge: Artikel Aphrodite. In: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hrsg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 1, Metzler, Stuttgart und Weimar 1996, Sp. 838–844.
  17. Hesiod, Theogonie 176–200
  18. Homerische Hymnen 6,5–13
  19. Pausanias 2,1,7–8
  20. Homer, Ilias 5,312
  21. Homer, Ilias 5,370
  22. Homerische Hymnen 5,81
  23. Johannes Tzetzes, ad Lycophronem 406
  24. Hyginus Mythographus, Fabulae 197
  25. Homer, Ilias 3,396 f.; 9,389
  26. Homer, Odyssee 20,73 f.
  27. Homer, Ilias 3,413–415
  28. Homer, Ilias 3,64; 9,389
  29. Homer, Ilias 14,214–220
  30. Übersetzung: Homerische Hymnen. Griechisch und deutsch herausgegeben von Anton Weiher (Sammlung Tusculum). Sechste Auflage, Artemis, München und Zürich 1989, S. 93.
  31. Homerische Hymnen 5,73
  32. Sappho Fragment 57a
  33. Homer, Ilias 5,338
  34. Homer, Odyssee 18,194
  35. a b Vgl. Vergil, Aeneis 1,720; Gustav Hirschfeld: Akidalia. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,1, Stuttgart 1893, Sp. 1167.
  36. Homer, Odyssee 8,318
  37. Homer, Odyssee 8,266–366. Auch dies war eventuell eine Ehe, nur nach anderer Überlieferung: vgl. Georg Ferdinand Dümmler: Aphrodite. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 2729–2787.
  38. Homerische Hymnen 5,53–291
  39. Scholien zu Apollonios von Rhodos, Argonautika 1,932 f.
  40. Ovid, Metamorphosen 4,288–388
  41. Ovid, Metamorphosen 10,519–739
  42. Ovid, Heroides 16,53-88; Lukian, Göttergespräche 20; Hyginus, Fabulae 92
  43. a b c Herodot, Historien 1,105,2 f.
  44. Pausanias 1,14,7: πρώτοις δὲ ἀνθρώπων Ἀσσυρίοις κατέστη σέβεσθαι τὴν Οὐρανίαν, μετὰ δὲ Ἀσσυρίους Κυπρίων Παφίοις καὶ Φοινίκων τοῖς Ἀσκάλωνα ἔχουσιν ἐν τῇ Παλαιστίνῃ, παρὰ δὲ Φοινίκων Κυθήριοι μαθόντες σέβουσιν.
  45. a b c Georg Ferdinand Dümmler: Aphrodite. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 2729–2787.
  46. Vgl. Gabriella Pironti: Entre ciel et guerre. Figures d’Aphrodite en Grèce ancienne (= Kernos. Supplementband 18). Lüttich 2007; Stephanie L. Budin: Aphrodite enoplion. In: Smith und Pickup (Hrsg.): Brill’s Companion to Aphrodite. S. 79–112.
  47. Herodot, Historien 1,199
  48. Strabon, Geographika 6,272; 8,378
  49. Martin Litchfield West: The east face of Helicon. West Asiatic elements in Greek poetry and myth. Clarendon Press, Oxford 1997, S. 56 f.
  50. Vgl. die einschlägigen Artikel der englischen und französischen Wikipedia.
  51. Hesiod, Theogonie 194
  52. Pausanias 1,14,7. Schon in der Odyssee und den Homerischen Hymnen (4,58) ist von Paphos als heimatlichem Bezirk der Aphrodite die Rede.
  53. Pindar Frg. 122 Bgk.
  54. Pausanias 1,19,2: δὲ ἐπίγραμμα σημαίνει τὴν Οὐρανίαν Ἀφροδίτην τῶν καλουμένων Μοιρῶν εἶναι πρεσβυτάτην. τὸ δὲ ἄγαλμα τῆς Ἀφροδίτης τῆς ἐν τοῖς Κήποις ἔργον ἐστὶν Ἀλκαμένους καὶ τῶν Ἀθήνῃσιν ἐν ὀλίγοις θέας ἄξιον.
  55. Pausanias 1,27,3
  56. Pausanias 1,14,7
  57. So von Athen: Pausanias 1,22,1 ff. Für Kos vgl. Vinciane Pirenne-Delforge: Flourishing Aphrodite: An Overview. In: Smith und Pickup (Hrsg.): Brill’s Companion to Aphrodite. S. 3–16, hier S. 14 f.
  58. Pausanias 9,16,3
  59. a b Pausanias 1,1,3: Κνίδιοι γὰρ τιμῶσιν Ἀφροδίτην μάλιστα, καί σφισιν ἔστιν ἱερὰ τῆς θεοῦ: τὸ μὲν γὰρ ἀρχαιότατον Δωρίτιδος, μετὰ δὲ τὸ Ἀκραίας, νεώτατον δὲ ἣν Κνιδίαν οἱ πολλοί, Κνίδιοι δὲ αὐτοὶ καλοῦσιν Εὔπλοιαν.
  60. a b Pausanias 2,34,11: Ἀφροδίτης ναός ἐστιν ἐπίκλησιν Ποντίας καὶ Λιμενίας.
  61. Vgl. Horaz, Carmina 1,3,1
  62. Chryssanthi Papadopoulou: Aphrodite and the fleet in classical Athens. In: Smith und Pickup (Hrsg.): Brill’s Companion to Aphrodite. S. 217 ff.
  63. Otto Jessen: Argynnis. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II,1, Stuttgart 1895, Sp. 799.
  64. Janda: Elysion. S. 333 f.
  65. Pausanias 2,32,7; 2,34,12
  66. Pausanias 3,13,9
  67. Pausanias 3,17,5
  68. Tzetzes, ad Lycophronem 832
  69. Pausanias 2,5,1; 3,5,10
  70. Stephanie L. Budin: Aphrodite enoplion. In: Amy C. Smith, Sadie Pickup (Hrsg.): Brill’s Companion to Aphrodite. S. 79–112.
  71. Gabriella Pironti: Rethinking Aphrodite as a Goddess at Work. In: Amy C. Smith, Sadie Pickup (Hrsg.): Brill’s Companion to Aphrodite. S. 113–130.
  72. Pausanias 2,2,4
  73. Pausanias 9,27,5
  74. Pausanias 8,6,5
  75. Plutarch, Quaestiones Romanae 23; ders., Moralia 269b
  76. Otto Jessen: Androphonos. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 2169.
  77. Georg Wentzel: Anosia. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 2335.
  78. Aristophanes Frg. 702; vgl. Karl Tümpel: Aphroditos. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 2794 f.
  79. Pausanias 2,32,6
  80. Strabon, Geographika 14,682
  81. Hesychios von Alexandria
  82. Maurus Servius Honoratus, In Vergilii carmina comentarii 3,466. Vgl. Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen. Band 1: Die Götter- und Menschheitsgeschichten. dtv, München 2007, S. 57.
  83. Herodot, Historien 2,54–57
  84. Homerische Hymnen 10,1; Alkman Frg. 21 Bgk.
  85. Pindar Frg. 122,14
  86. a b Strabon, Geographika 8,341
  87. Vgl. Sappho Frg. 133 Bgk. – Pausanias (1,14,7) berichtet vom Primat der Paphier bei der Übernahme des phönizischen Urania-Kultes.
  88. Martina Seifert: Aphrodite – eine Liebesgöttin auf einer langen Reise. In: Dies.: Aphrodite. Herrin des Krieges, Göttin der Liebe. Philipp von Zabern Verlag, Mainz 2009, S. 14–26. Vgl. den Artikel der englischen Wikipedia zur Petra tou Romiou.
  89. Θανάσης Φωτιάδης Thanásis Photiádis: Γυναικοκρατία (μητριαρχία). Ελληνική συμβολή στην εθνολογία ‚Frauenherrschaft (Matriarchat). Griechischer Beitrag zur Ethnologie‘. Εκδόσεις Χατζηνικολή Ekdóseis Chatzinikolí, Athen 1980, S. 94. Vgl. auch die Website (Memento vom 21. April 2017 im Internet Archive) der Anglican Church of Paphos.
  90. M. L. West: The east face of Helicon. S. 56 f.
  91. Gareth Morgan: Aphrodite Cytherea. In: Transactions of the American Philological Association. Band 108, 1978, S. 115–120.
  92. Empedokles 66ff.; 85; 368 (Stein). Vgl. Simplikios, De caelo 507e, ed. Brandis, zitiert nach Georg Ferdinand Dümmler: Aphrodite. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 2729–2787.
  93. Platon, Symposion 180 D
  94. Vgl. Andrea Schütze: Rezension.@1@2Vorlage:Toter Link/hsozkult.geschichte.hu-berlin.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2018. Suche in Webarchiven) In: H/Soz/Kult. 15. März 2010.